Da hatten die EU-Behörden wohl wirklich einen Nerv getroffen – und das offensichtlich sehr schmerzhaft. Kaum waren die vorläufigen Pläne, Europas Senioren in Bezug auf ihre Fahrtauglichkeit etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, auch nur zu Papier gebracht worden, brach in mehreren EU-Mitgliedsländern, darunter auch Österreich, ein Sturm der Entrüstung los. Seniorenvertreter aus sämtlichen Parteien, aber auch die Autofahrerklubs empörten sich öffentlich, über die „Altersdiskriminierung“ unter den Mitbürgern.
Verkehrsminister greifen ein
Am Montag marschierten dann die EU-Verkehrsminister in Brüssel auf, um der Sache ein Ende zu machen. Die Pläne für die umstrittenen Gesundheits-Checks seien „vom Tisch“, meinte etwa Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler vor der Presse. Die Idee, die Fahrtauglichkeit ärztlich überprüfen zu lassen, sei ohnehin nicht praktikabel. Man setze auf die Eigenverantwortung der Bürger. Diese sollten selbst entscheiden , ob sie noch ein Kfz lenken könnten. Den Behörden könnte allenfalls eine Art „freiwilliger Selbsteinschätzung“ des Gesundheitszustands übermittelt werden.
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Nur fünf Jahre gültig
Einen ähnlichen Vorschlag war die EU-Kommission schon im Frühjahr vorgelegt: Jeweils um fünf Jahre – so hieß es damals – sollten Menschen ab 70 ihren Führerschein verlängern können. Auf eine verpflichtende ärztliche Untersuchung wollte man sich schon damals nicht festlegen.
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Mit deutlich mehr Härte dagegen ging der Verkehrsausschuss des Parlaments das Thema. Dort legte die französische Vorsitzende Karima Delli, eine Grüne, einen Entwurf vor, der tatsächlich verpflichtende Gesundheits-Checks für Senioren vorsah. Obendrein sollten Führerschein-Neulinge nur noch maximal 90 km/h auf der Autobahn fahren dürfen.
SUV-Führerschein
Außerdem nahm sich die Grüne in ihrem Bericht die bekannt spritfressenden SUV-Schwergewichte vor. Für die sollte es in zukunft einen eigenen Führerschein geben, den allerdings erst ab 21. Die Ausbildung für den Führerschein sollte grundlegend neu gestaltet werden. Vorgesehen waren mehr Praxis-Elemente, vor allem der Umgang mit Fahrrad-Fahrern, sowie eigene Kurse zum klimafreundlichen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel.
"Völlig inakzeptabel"
Der Bericht war kaum im Verkehrsausschuss vorgelegt, geschweige denn abgestimmt worden, da brach schon die Empörung über die „völlig inakzeptablen“ und „absurden“ Verbote los.
In dieser Woche soll die Debatte dort weitergehen. Doch nach der riesigen Aufregung über den Vorschlag der Grünen gilt der ohnehin bereits als erledigt. Die Mehrheit, vor der etwa deutsche CDU-Politiker weiterhin lautstark warnen, scheint nach Ansicht mehrerer dort vertretener Parlamentarier weiter entfernt denn je. Schließlich haben sich auch die Sozialdemokraten bereits klar dagegen positioniert. So hat etwa SPÖ-Fraktionschef Andreas Schieder ebenfalls von „diskriminierenden und nicht zielführenden“ Bestimmungen gesprochen.
Kein Spielraum für Parlament
Doch mit der Haltung der Verkehrsminister der Mitgliedsländer im EU-Rat ist der politische Spielraum des EU-Parlaments ohnehin beschränkt, zumindest was die möglichen Gesundheits-Checks betrifft. Schließlich kommt eine etwaige EU-weite, verpflichtende Regelung an den Mitgliedsländern nicht vorbei. Mit ihnen muss ein Kompromiss erzielt werden.
Regeln für junge Fahrer
Nach all der Aufregung werden die neuen Regeln rund um den Führerschein wohl eher junge als ältere Autofahrer betreffen. Für sie soll europaweit eine deutlich längere Führerschein-Probezeit gelten, in der sie ein absolutes Verbot von Alkohol am Steuer einhalten müssen. In Österreich aber, wo diese Probezeit schon jetzt drei Jahre beträgt dürfte es keine Änderungen geben. Auch der Führerschein ab 17, der dann EU-weit eingeführt werden soll, ist in Österreich längst Praxis. Die Sorge vieler Senioren um ihren Führerschein ist aber in jedem Fall passé.
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