Terror in Wien: "Fromme Lieder gesungen und daneben Teufel angebetet"

Terror in Wien: "Fromme Lieder gesungen und daneben Teufel angebetet"
Psychiaterin Adelheid Kastner erklärt, wie Radikalisierung passieren kann und was Attentäter erreichen wollen.

Wenn in Österreich Verbrechen passieren, darf sie bei der Aufarbeitung nicht fehlen: Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner analysiert im KURIER die Hintergründe zum Attentat in Wien.

KURIER: Was muss passieren, damit Gewaltfantasien in die Tat umgesetzt werden?

Adelheid Kastner: Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder es ist die Einbindung in eine Gruppe, was es bei diesem Attentäter offenbar nicht war. Da ist man immer einsatzbereit und irgendwann kommt von außen die Befehlsausgabe. Und es gibt jene, die von den Gewalttaten anderer aktiviert werden. In unserem Fall könnte der junge Mann von den erst kürzlich verübten Anschlägen in Paris und Nizza aufgerüttelt worden sein, quasi als Nachahmungstäter.

Der Attentäter war ja bereits inhaftiert und hat ein Deradikalisierungsprogramm absolviert, das offensichtlich nicht gefruchtet hat. Wie kann das passieren?

Das ist easy. Das sagte schon Shakespeare: Ein Mann mag lächeln und trotzdem ein Schurke sein. Ausschlaggebend für die Bewertung einer Person ist wesentlich weniger das, was diese Person sagt als das, was sie tut. Man kann schöne Worte und Floskeln nachplappern. Das setzt keine überragende Intelligenz voraus. Es kann sogar Teil des inneren Programmes sein, dass man sich denkt: Die sind eh so blöd, die lassen sich so leicht täuschen. Das Problem liegt da eher auf der anderen Seite. Dieser Verein Derad müsste eigentlich rückgemeldet bekommen, was dieser Mann so tut. Wenn es diese Vernetzung nicht gibt, dann kann der Berater viel leichter getäuscht werden. Dass die Beraterseite an die Wirksamkeit der eigenen Intervention glauben möchte, ist auch verständlich. Wie selbstkritisch man hier ist, kann ich nicht beurteilen, fest steht nur, dass sich der Beratene selbst sicher nicht infrage gestellt hat.

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