Frauenhaus-Leiterin: "Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind"

Frauenhaus-Leiterin: "Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind"
Andrea Brem hat schon unerträgliches Leid gesehen. Sie spricht über Schwächen im Gesetz, eingesperrte Frauen, Psychoterror und grausame Snuff-Filme.

"Am Anfang war ich sehr verliebt." Ein Satz, den Andrea Brem fast jedes Mal hört, wenn eine neue Klientin das Frauenhaus betritt. Die Adresse der Wohnung, in der die Frau untergebracht wird, ist geheim. Männer haben keinen Zutritt. Wenn sie das erste Mal die Räumlichkeiten der Frauenhäuser betreten, sind die Opfer oft schwer verletzt und traumatisiert. Wenn sie es nicht selbst schaffen, bringt die Polizei sie – oder sie kommen direkt aus dem Spital oder von einer der Interventionsstellen. Brem ist die Leiterin der Wiener Frauenhäuser. Der KURIER hat sie in ihrem Büro in Wien-Mariahilf besucht.

Was können wir tun, um das Leben für die betroffenen Frauen sicherer zu machen?

Man muss an vielen Schrauben drehen. Die Schraube, an der sehr wenig gedreht wird, ist die Prävention. Sie kostet viel, etwa die flächendeckende Arbeit in Schulen. Da braucht es durchdachte Konzepte. Es reicht sicher nicht, wenn eine Polizistin einen Vormittag lang in einer Klasse steht und den Kindern etwas zum Thema erzählt. Es passiert übrigens immer bei diesen Schulungen, dass sich mindestens ein Kind als betroffen outet. Manchmal sind es fünf. Die wissen dann genau, wovon die Vortragende spricht. Und müssen dann auch von Profis aufgefangen werden.

Die Täterarbeit ist ein weiterer Punkt.

Genau. Aktuell ist die Rede von einem "Dreistunden-Paket" in der Akutsituation, das halte ich nicht für sinnvoll. Unserer Forderung nach lange andauernden, intensiven Trainings für Gewalttäter, ich spreche da von einem Anti-Aggressionstraining, das über mehrere Monate geht, konnte aus finanziellen Gründen nicht gefolgt werden. Da muss natürlich auch die Leitung dieser Seminare viel Erfahrung besitzen. Ich finde, dass jeder, der gewalttätig wurde, bevor er mit den Kindern unbegleiteten Kontakt haben darf, zuerst so ein Training absolvieren müsste.

Es kann nicht sein, dass Paare noch die gemeinsame Obsorge haben, obwohl der Vater schwer gewalttätig war. Und: Ich finde, dieses Training sollten sich diese Männer selbst bezahlen. Wenn er seine Kinder sehen will, muss das zumutbar sein. Das sind oft Männer, die keine Alimente zahlen und sich auch sonst nicht finanziell um das Kind scheren, aber wir diskutieren, ob sie die Obsorge haben dürfen. Manche der Kinder wären schon verhungert, wenn sie von dem Unterhalt des Vaters hätten leben müssen. 

Wie steht es um die Finanzierung der Frauenhäuser in Österreich?

Es gibt immer noch Frauenhäuser in anderen Bundesländern, die Jahresverträge haben. Die müssen immer wieder bangen, ob sie im Folgejahr noch bestehen. Das geht nicht. Sich zu Gewaltschutz bekennen, aber Frauenhäuser nicht finanzieren wollen, das kann doch nicht sein.

Wie sieht Ihre konkrete Forderung an die Politik aus?

In diesem Gewaltschutz-Paket sind gute Ansätze, aber sie sind nicht bis zum Ende durchgedacht. Egal, ob das die Anzeigepflicht betrifft oder die 100-Meter-Regelung. Man hätte sich bei einigen Punkten genauer überlegen müssen, was das für die Betroffenen bedeutet.

Sie kritisieren die Anzeigepflicht. Warum?

Es gibt Frauen, die einen niedergelassenen Arzt konsultieren, der nimmt das ernst, zeigt den Mann an. Die Frau kann das sprachlich gar nicht verstehen und zuhause flattert die Anzeige ein. Sie ist dann in einer komplett ungeschützten Situation. Hier wurden keine Leitfäden entwickelt, wie sehr man da aufpassen muss und welche Konsequenzen das haben kann. Wenn die Frau nicht in Sicherheit ist, kann das zu schweren Misshandlungen führen, wenn der Mann plötzlich von der Polizei eine Ladung wegen Körperverletzung bekommt. Es braucht daher Schulungsarbeit bei allen, die in dem Bereich arbeiten und zwar ständig. Medien, Polizei, NGOs, Lehrkräften, medizinisches Personal oder auch Juristen und Juristinnen– all diese Berufsgruppen müssen immer wieder sensibilisiert werden

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