Jedenfalls bleibt hierzulande ein Argument nicht ohne Wirkung: Gasgewinnung aus Niederösterreich könnte Putins Erpressungspolitik beenden. Ein als fossile Brückentechnologie verkaufter Tritt gegen die Nachhaltigkeit zwar, der sich aber in Zeiten allgemeiner Verunsicherung nicht nur gut verkaufen lässt, sondern für Vertreter der Industrie als willkommenes Lösungsmittel gegen die drohende, von Gasknappheit verursachte Arbeitslosigkeit herhält. Constantin Zerger, Energie- und Klimaschutzexperte der Deutschen Umwelthilfe (DUH), erkennt eine gefährliche Entwicklung in ganz Europa: „In der aktuellen Situation ist dieser Mechanismus leicht durchschaubar. Fracking ist plötzlich in vielen Ländern wieder ein Thema, wie die Aufhebung des Verbots in Großbritannien beweist. “
Dennoch: Die regionale Politik zeigt geschlossen Gegenwehr. Das Statement von Poysdorfs Bürgermeister Fürst klingt nicht nach Stimmenfang, eher nach persönlicher Überzeugung: „Besser man verwendet das Geld für die Gewinnung erneuerbarer Energien. Diesbezüglich sind wir auf einem richtigen Weg.“
Im nahen Herrnbaumgarten beschließen die Gemeinderäte vor ein paar Tagen das gemeinsame Nein zur Schiefergasgewinnung. Für Ortschef Christian Frank ist es ohnehin unvorstellbar, dass das Projekt die Umweltverträglichkeitsprüfung übersteht. Außerdem benötige es die Errichtung „schwerer Industrie“, große Grundstücksflächen und damit massive gesetzliche Eingriffe.
Die OMV sprach bei ihrer Projektvorstellung 2012 von 30.000 m2 Flächenbedarf. Pro Bohrplatz. Auch neue Straßen und ein überirdisches Netz von Pipelines werden die Landschaft verändern. Doch glaubt man den Bekenntnissen von Konzern-Chef Alfred Stern, bleibt der Schiefergestein-Plan dort, wohin er 2012 verschwunden ist: in der Rundablage. Als zu teuer und zu langwierig befunden, untauglich, um rasche Abhilfe zu erzielen.
Professor Hofstätter, der vor ein paar Tagen seine Pension angetreten hat, bestätigt: „Wo ein Bohrloch besteht, würde es bis zu einem Jahr dauern, auf unberührtem Gelände wohl zumindest fünf Jahre.“ Zu lange? Man habe ja zehn Jahre zuvor auch nichts gemacht, lautet die Antwort. Für die Gegner ein Schuss – vorbei am Klimaziel.
Trinkwasserverunreinigung, Wasserverbrauch in einer ohnehin trockenen Gegend (die Schätzungen reichen von 10 bis 22 Millionen Liter pro Bohrung), Erdbebengefahr, Methangas-Emissionen, erhöhtes Schwerverkehrsaufkommen, die Liste der Ängste ist lang, jene der beruhigenden Erfahrungsberichte kurz. Nicht einfach ist, neutrale Fachleute zu finden.
Johann Kleibl ist zum Gesicht der Poysdorfer Bürgerinitiative gegen das Fracking im Weinviertel geworden. An seinem Küchentisch wird die Sicht der Dinge dargelegt. Selten emotionsgeladen, zumeist von Informationen belegt, die Kleibls Mitstreiter in akribischer Kleinarbeit seit Monaten sammelt.
Es fehlt der Glaube an das fossile Comeback, auch das Vertrauen in die Wundertüte aus Leoben. Sie sagen, dass entnommene Proben aus konventionellen Bohrlöchern im Jahr 2017 keine effizienten Ergebnisse vermuten lassen. Auch die Zusammensetzung das lediglich in Laborversuchen getestete Bio-Frackingfluid erziele nicht die erwünschte Wirkung. Problematisch sei weiters das Recycling des sogenannten Lagerstättenwassers. Und sie stellen die doch logische Frage: „Warum wurde das Patent des Professors nicht schon längst von anderen Firmen übernommen?“
Hofstätter erklärt, niedrige Gaspreise hätten in den letzten Jahren die Nachfrage vermindert. Jetzt gebe es aber Interessenten, die sein Konzept in Labors im großen Stil nachgestellt hätten. Ob’s im Weinviertel irgendwann zur Anwendung kommt? Hofstätter ist ehrlich und skeptisch zugleich, verweist auf die Signale aus der OMV: „Nach der derzeitigen Strategie glaub‘ ich nicht daran.“
Sie werden es mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen – die Herren am Küchentisch im Haus in Poysdorf.
Kommentare