Finalkampf um Naturschutz in Österreich

Die Isel in Osttirol ist nur einer von zahlreichen Brennpunkten im Konflikt um die Nominierung von „Natura 2000“-Gebieten. Im November kommt es zum Showdown mit der EU
Die EU fordert hunderte neue Schutzgebiete in ganz Österreich.

In den Umweltabteilungen der österreichischen Landesregierungen rauchen dieser Tage die Köpfe. Die Beamten müssen sich durch einen 161 Seiten dicken Forderungskatalog der EU-Kommission arbeiten, der dem KURIER vorliegt. Und der fällt umfassender aus, als gedacht. Österreich und seine Bundesländer sind seit Jahren säumig bei der Ausweisung von Schutzgebieten im Rahmen des europäischen "Natura 2000"-Netzwerks.

Gegen die Republik läuft deshalb seit 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren. Im Falle einer Verurteilung vor dem Europäischen Gerichtshof drohen Strafzahlungen in Höhe von jährlich 60 Millionen Euro. Die EU erkennt in einem dem KURIER ebenfalls vorliegenden Schreiben zwar an, dass inzwischen 88 neue Gebiete nominiert wurden. Sie kritisiert aber auch, dass viele von der Kommission bereits 2013 aufgelistete Gebiete "nicht oder nur teilweise vorgeschlagen worden sind, ohne dass hierfür eine Begründung vorgelegt wurde". Dafür bekommen die Bundesländer nun die Rechnung präsentiert. Denn die Beamten der EU-Umweltgeneraldirektion haben sich aufgrund der österreichischen Haltung die Situation selbst angeschaut, statt auf Vorschläge zu warten.

Finalkampf um Naturschutz in Österreich
Nationalpark Donau-Auen, Biber, Biberwanderung
Die Fachabteilungen der Länder sind zwar noch mit der Analyse des komplexen Katalogs befasst. Doch die Forderungen seien weitreichender, als befürchtet. Es gehe um Hunderte neue Schutzgebiete, heißt es aus dem Verhandlungsteam der Länder.

Das wird vom oberösterreichischen Naturschutzlandesrat Manfred Haimbuchner (FPÖ) angeführt. "Wir wollen das Ganze nicht eskalieren lassen, um keine Klage zu riskieren. Schon ein Verfahren kostet sehr viel Geld. Wir werden sicher nachnominieren müssen", heißt es aus dem Büro des Landesrats.

Ganz anders ist die Haltung von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Er hat zuletzt einmal mehr bekräftigt: "Ich bleibe dabei: Das Land Tirol wird keine neuen Gebiete nachnominieren, die Verhandlungen sind für uns abgeschlossen."

In Tirol sorgt "Natura 2000" seit Jahren für Debatten. In Osttirol spießten sich etwa Kraftwerkspläne mit dem von Umweltschützern geforderten "Natura 2000"-Siegel für die Isel und ihre Zubringerbäche. Das Flusssystem wurde von Tirol zuletzt zwar in weiten Teilen unter Schutz gestellt. Der EU-Kommission greift das aber noch immer zu kurz. Daran konnte auch ein Interventionsversuch von Landeshauptmann Platter bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nichts ändern.

Finalkampf um Naturschutz in Österreich
Bei Christoph Walder vom WWF stößt die Weigerung, weitere Gebiete auszuweisen auf Unverständnis. "Die Aussage des Landeshauptmanns ist skandalös und dazu geneigt, eine Art Orbanisierung des Naturschutzes in Österreich zu befördern", sieht Walder Parallelen zum ungarischen Ministerpräsidenten, der geltendes EU-Recht ignoriert.

Gebiete im ganzen Land

Doch auch wenn der Konflikt in Tirol auf besonders großer Flamme kocht, ist ganz Österreich betroffen. Es gibt kein Bundesland, in dem die EU nicht schützenswerte Lebensräume – von Wäldern, über Seen bis zu Mooren – oder Tier- und Pflanzenarten ortet. Die Forderungsliste umfasst über 100 Schutzgüter und nennt in ganz Österreich Regionen mit namhaften Vorkommen. Darunter befinden sich eine ganz Reihe von Gebieten, die der Umweltdachverband schon 2012 auf einer Schattenliste aufgeführt hat. Dazu zählen etwa die Bergmähwiesen im Salzburger Unken oder Rotbuchenwälder in Kärnten und der Steiermark.

Schutzgebiete werden von der EU unter anderem für den Fischotter gefordert – auch in Niederösterreich, wo er gerade zum Abschuss freigegeben wurde. Und auch die Lebensräume für Luchse und Biber sind laut der Liste nicht ausreichend. Die Bundesländer sind nun gefordert, eine gemeinsame Linie zu finden. Am 15. November starten in Wien die Verhandlungen mit der EU–Kommission.

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