Felssturz in Tirol: Ein wiederholtes Weihnachtswunder
Auf den Tag sechs Jahre nach einem riesigen Felssturz auf eine Straße in Vals hatte nun auch die Gemeinde Fließ am 24. Dezember Riesenglück, das niemand von Gesteinsmassen erschlagen wurde
Unten im Dorf ist die Kindermette zu Ende gegangen, Familien aus dem Weiler weiter oben sind eben wieder heimgekommen. Da donnern 117.000 Kubikmeter Gestein vom Berg und verschütteten die unmittelbar zuvor passierte Straße in das enge Tal bis zu acht Meter hoch.
„Hätte die Messe ein bisschen länger gedauert, wären wahrscheinlich zehn Autos darunter kommen“, wird sich Irene Gatt später gegenüber dem KURIER erinnern, wie sie am 24. Dezember 2017 mit ihren beiden Kindern am Rückweg von der Kirche zu jenen gehörte, die an einer Katastrophe im Tiroler Valsertal vorbeischrammten.
Abgeschnitten
Nicht von ungefähr sprachen der damalige Landeshauptmann Günther Platter und der Bürgermeister des Bergdorfs nahe dem Brenner von einem „Weihnachtswunder“. 150 Einwohner von Vals blieben seinerzeit mehrere Tage abgeschnitten, bis ein Notweg errichtet war. So geht es nun auch 250 Einwohnern von Hochgallmigg, einem kleinen Bergdorf im Gemeindegebiet von Fließ im Bezirk Landeck.
In der Nacht auf 24. Dezember ging gegen 1 Uhr ein Felssturz auf die einzige Straße in die Siedlung nieder. Ein drei bis vier Kubikmeter großer Gesteinsbrocken landete direkt auf der L 312, die sofort gesperrt wurde. Da der ganze Hang darüber in Bewegung ist, bleiben die Einwohner von Hochgallmigg voraussichtlich noch für Tage von der Außenwelt abgeschnitten und werden über eine Luftbrücke versorgt.
Wie sein Amtskollege in Vals vor fünf Jahren ist auch der Bürgermeister von Fließ, Alexander Jäger, erleichtert, dass es nicht zu einer Tragödie am Weihnachtstag gekommen ist: „Gott sei Dank ist das zu einer Zeit passiert, wo kein Verkehr ist.“ Der Ortschef will sich gar nicht vorstellen, wenn der Felsbrocken runtergekracht wäre, „wenn zum Beispiel gerade der Schulbus hier fährt.“
Bröselnde Berge
Die Berge bröseln. In Zeiten des Klimawandels, auftauenden Permafrosts und gehäufter Extremwetterereignisse werden Steinschläge, Felsstürze und Muren, wie es sie in den Alpen immer schon gab, häufiger. Damit steigt trotz aller Sicherungsmaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte auch die Gefahr, dass Menschen zu Schaden kommen.
Einzelereignisse lassen sich freilich nicht auf die Erderwärmung und ihre Folgen zurückführen. Im konkreten Fall „waren sicher die Niederschläge, die zuletzt in den Hang eingedrungen sind, hauptverantwortlich für das Ereignis“, sagt Landesgeologin Petra Nittel-Gärtner. Vor Weihnachten ist noch Tief „Zoltan“ über Österreich gezogen und hat auch starke Regenfälle mit sich gebracht.
Das Gelände über der L 312 war schon länger Sorgenkind, weshalb die Hochgallmiggstraße auch heuer im Frühjahr schon gesperrt werden musste. „Die Menschen in diesem Ortsteil sind schon einiges gewohnt“, sagt Bürgermeister Jäger. „Der Hang wird jetzt komplett abgegraben, er lässt sich nicht mehr stabilisieren“, erklärt er.
Auch die Kosten zur Beseitigung solcher Schäden steigen. In Vals etwa mussten nach dem Felssturz die Straße verlegt und Schutzdämme errichtet werden. Alleine das kostete 2,5 Millionen Euro.
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