Tirol: Felssturz lässt Dorffrieden bröseln

Tirol: Felssturz lässt Dorffrieden bröseln
Die Einwohner von Vals gehen nach der Katastrophe im Vorjahr nur mit provisorischem Schutz in den Winter

Der 24. Dezember 2017 wird in der Dorfchronik von Vals wohl dereinst als Weihnachtswunder erinnert. Irene Gatt und ihre zwei Töchtern waren unter jenen, die am Rückweg von der Kindermette kurz vor einem gewaltigen Felssturz die Unglücksstelle passierten. 117.000 Kubikmeter Gestein donnerten vom Berg und verschütteten die Straße durch das enge Tal bis zu acht Meter hoch.

„Hätte die Messe ein bisschen länger gedauert, wären wahrscheinlich zehn Autos drunter gekommen“, erzählt Gatt. Mit ihrem Mann Klaus wohnt sie direkt am Ausläufer der Schuttmassen. „Es hat sich wie ein Orkan angehört“, erinnert er sich an den Abend der Naturkatastrophe.

Die geologische Situation an der betroffenen Flanke hat sich beruhigt. Im Dorf hingegen kann von Ruhe keine Rede sein. „Der Felssturz hat Unfrieden ausgelöst“, sagt Klaus Gatt. Und er ist nicht der einzige, der das so sieht.

Streit um Lösung

Tirol: Felssturz lässt Dorffrieden bröseln

Die Bruchlinien sind mannigfaltig. Die Interessen dahinter ebenfalls. Der Streit hat dazu geführt, dass es bis heute keine nachhaltigen, sondern nur provisorische Schutzmaßnahmen gibt. „Uns wäre recht, wenn es so gemacht wird, wie es geplant ist“, sagt das Ehepaar Gatt.

Das Schutzkonzept des Landes sowie der Wildbach- und Lawinenverbauung sieht ein neue und vom Hang abgerückte Trasse für die Straße vor. Auf einem vier Meter hohen Damm soll sie verlaufen. Und das hat weniger mit der Steinschlag- als mit der Lawinengefahr zu tun, die seit jeher vom selben Berg ausgeht.

Franz Kreidl fürchtet weder Steine, noch Schnee. Dabei steht sein Bauernhof direkt neben dem Schuttkegel. Dass hinter seinem Haus in den vergangenen Tagen ein provisorischer Schutzdamm errichtet wurde, treibt dem 62-Jährigen die Zornesröte ins Gesicht: „Die Bagger haben mein Feld zerstört. Und im Haus habe ich jetzt einen Riss in der Mauer.“

Die Arbeiten seien ohne seine Genehmigung erfolgt. Der Bürgermeister bestreitet das. „Ich habe Anzeige wegen Besitzstörung erstattet“, behauptet indes Kreidl.

Anders als Familie Gatt hält er von der neuen Straßentrasse nichts. „Die sollen entweder die Lawinenverbauung machen, die sie uns seit 30 Jahren versprechen oder einen Tunnel bauen“, sagt der Pensionist. Damit ist er auf der Seite jener, die sich mit den geplanten Maßnahmen nicht anfreunden können. Nach dem Felssturz hatten rund 270 Valser, etwa die Hälfte der Dorfbewohner, einen Tunnel gefordert.

„Ich habe damals in der ersten Emotion nach dem Felssturz auch unterschrieben“, sagt Bürgermeister Klaus Ungerank. Heute ist er überzeugt: „Die Anrainer an der Unglücksstelle hätten davon gar nichts.“ Der Langzeit-Ortschef zeigt sich von der Trassenverlegung überzeugt.

Kritiker der Variante führen ins Feld, dass auch die neue Straße in der roten Lawinenzone liegen würde. Sie kann frühestens nach dem Winter errichtet werden. Denn das Flurbereinigungsverfahren, im Zuge dessen eine vor dem Straßenbau notwendige Neuordnung der an der Trasse gelegenen Agrargrundstücke erfolgen soll, wird blockiert. Zwei Besitzer haben Einspruch erhoben.

Arbeit am Notweg

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„Das könnte alles längst fertig sein. Jetzt müssen wir schauen, wie wir über den Winter kommen“, sagt Ungerank. Ein Forstweg auf der dem Felssturz gegenüberliegenden Hangseite wird als Notweg präpariert. Er diente bereits nach dem Unglück für die Bewohner des Talschlusses als Behelfsstraße. Für sie wird es der einzige Weg nach draußen sein, sollte vom Berg wieder Gefahr drohen.

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