Feindselig durch Hitze: Klimakrise macht Ameisen aggressiver

Ameisen - Die heimliche Weltmacht
Durch die Klimakrise hervorgerufene Effekte wie höhere Temperaturen und mehr Stickstoff im Boden führen zu stärkerer Aggressivität unter Ameisen-Kolonien, zeigt eine Studie der Forschungsgruppe Molekulare Ökologie der Uni Innsbruck.

Untersucht wurde die weit verbreiteten Ameise Tetramorium alpestre an acht hochalpinen Standorten in Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz. Der Ameisenforscher Patrick Krapf vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck hat das Verhalten der hochalpinen Ameisen analysiert und sich dabei auf das Aggressionsverhalten konzentriert.

Die Ergebnisse zeigen, dass in dieser Art Aggression offenbar mit Umweltfaktoren korreliert. „Wir haben acht Populationen der Ameise Tetramorium alpestre in verschiedenen Höhenlagen entlang des Alpenbogens auf ihr feindseliges Potenzial untersucht. Dazu haben wir Arbeiterinnen von unterschiedlichen Kolonien innerhalb der Populationen eines Standortes aufeinandertreffen lassen und uns angesehen, wie feindselig oder friedvoll sie miteinander umgehen“, erklärt Patrick Krapf.

Die untersuchten Kolonien kommen auf Höhen zwischen 1600 und 2300 Metern vor und wurden in vier Ländern gesammelt. In Österreich wurden Kolonien aus dem Kühtai und vom Hahntennjoch (beide Tirol) sowie von der Mussen im Lesachtal (Kärnten) getestet, in der Schweiz vom Julier- und Simplonpass, in Frankreich vom Col de Vars und Col du Galibier und in Italien von einer Population nahe des Colle della Maddalena.

Um das Verhalten zu überprüfen, führte das Team neben mehreren genetischen und umweltbezogenen Analysen auch Aggressionstests durch, in denen jeweils zwei Arbeiterinnen unterschiedlicher benachbarter Kolonien beteiligt waren. Arbeiterinnen sind die größte Gruppe im Ameisenstaat und zuständig für Nahrungssuche, Nestbau und Brutpflege, berichtet die Uni Innsbruck in einer Aussendung.

„Dieser auf Video aufgezeichnete Zweikampf soll ein Aufeinandertreffen in freier Natur – wie es bei der Nahrungssuche der Ameisen-Arbeiterinnen vorkommt – simulieren“, so Krapf. Die insgesamt 3-Minuten-Videos wurden dann durch das Team auf Sekundenbasis ausgewertet und ergaben einen mittleren Aggressionswert für alle Paarungen. „Die Aggressivität der Ameisen aus den wärmeren Gebieten wie Italien und Frankreich war im Vergleich zu den kühleren Standorten in Österreich und der Schweiz um ein Vielfaches erhöht“, sagt der Ökologe.

Auch die Nährstoffanreicherung im Boden – die so genannte Eutrophierung – spielt eine Rolle, wie die Forscher feststellten: „Neben der erhöhten Lufttemperatur beobachten wir auch einen Zusammenhang zwischen Stickstoff-Gehalt in den Arbeiterinnen und im Boden und der Feindseligkeit. Die Stickstoffverfügbarkeit ist vermutlich auch aufgrund des ökologischen Wandels durch die Klimakrise in Böden erhöht.“

Mehr Kämpfe unter den Ameisen-Arbeiterinnen können laut Aussendung zwar für einzelne Kolonien vorübergehend mehr Nahrung bedeuten und somit einen kurzfristigen Vorteil bringen. Auf lange Sicht – und vor dem Hintergrund der als gesichert geltenden weiteren Erderwärmung – ist diese Entwicklung allerdings nachteilig zu sehen, so Krapf: „Dass Ameisen bei der Nahrungssuche aggressives Verhalten gegenüber anderen Kolonien zeigen, ist normal. Wenn diese Kampfaktivitäten aber zunehmen, kostet das den Arbeiterinnen viel Kraft und Zeit. Das könnte sich negativ auf die Entwicklung des ganzen Ameisenstaates auswirken, weil dann die Anzahl der Ameisen zurückgeht und beispielsweise weniger Nahrung vorhanden ist.“

Dass höhere Temperaturen zu mehr Aggressionen führen, ist in anderen Studien bereits etwa für Menschen, Huftiere und Wühlmäuse belegt worden. Dennoch besteht hier noch viel Forschungsbedarf, ist Patrick Krapf überzeugt – und schlägt mit der Forschungsgruppe daher noch weitere Studien vor: „Da Ameisen sehr wichtige Ökosystemdienstleister sind, ist ein besseres Verständnis der Folgen des globalen Wandels von großer Bedeutung.“

Ameisen spielen eine zentrale Rolle in Ökosystemen, das zeigt allein schon ihre Masse: Etwa 20 Billiarden Ameisen gibt es laut jüngsten Schätzungen auf der Erde, das bedeutet mehr Biomasse als alle wildlebenden Säugetiere und Vögel zusammen. Ameisen graben Erde um, bekämpfen Schädlinge wie etwa Borkenkäfer, sind Zersetzer von Aas, Bestäuber von Pflanzen und verbreiten Pflanzensamen.

 

 

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