Familienclan brachte Betrugsopfer um 1,5 Millionen Euro

"Digitale Münzen" (Symbolbild).
Das Wiener Landeskriminalamt hat einen großen Kriminalfall aufgeklärt, bei dem ein Zwölfjähriger als "Sekretärin" eingesetzt wurde.

Falsche Immobilien, dubiose Zahlungsmethoden und Schäden in Millionenhöhe: Der Gruppe Goldnagl - die in der Außenstelle Zentrum Ost des Wiener Landeskriminalamtes angesiedelte Rip-Deal Unit Vienna - ist gemeinsam mit italienischen und deutschen Behörden ein großer Coup gegen Rip-Deal-Betrüger gelungen. Bei Rip-Deals werden die Opfer in der Regel um große Summen Bargeld gebracht, indem lukrative Geldwechselgeschäfte vorgetäuscht werden. 

Passwörter ausspioniert

So auch im aktuellen Fall: Unter dem Deckmantel einer Immobilien-Betreuungsfirma agierte ein serbisch-kroatischer Clan vom Wiener Speckgürtel aus, der sich aus zwei Familien zusammensetzt. Strippenzieher des Clans ist ein 34-jähriger Wiener, mit serbischer Herkunft. Dieser wurde vergangenen Sommer von italienischen Behörden in Rom festgenommen und nach einem umfassenden Geständnis in Wiener Neustadt zu vier Jahren Haft verurteilt. 

Provision in Bitcoins

Im Zuge der Ermittlungen in der Operation „EV Wallet“ wurden immer mehr Details über die Vorgangsweise bekannt: Die Familie gab vor, inserierte Immobilien für reiche Käufer im Ausland erwerben zu wollen. Für die Vermittlung des Immobilienverkaufs verlangten die Täter eine Provision von rund zehn Prozent - in Form von Kryptowährung. Konkret ging es in diesem Fall um Bitcoins. Als die Opfer das Geld in die geforderte Währung umtauschten, konnten die Täter deren Passwörter ausspionieren und sich das Geld sichern. 

Opfer wurden hofiert

Der Rest des Rip-Deals lief „klassisch“ ab. Die Opfer wurden ins Ausland gelockt, wo ihnen mit teurem Zwirn und Luxusuhren der Reichtum der angeblichen Käufer vor Augen geführt und sie mit Spitzenklasse-Hotels, Luxus-Restaurants und ebensolchen Limousinen hofiert wurden. Zahlen mussten die Opfer für diesen Service natürlich keinen Cent. "Über Wochen wird so das Vertrauen der Klienten gewonnen. Die Täter informieren sich im Vorfeld genau über das Leben ihrer Opfer und führen teilweise auch sehr persönliche Gespräche mit ihnen, über ihre Kinder zum Beispiel", erklärt Chefermittler Gerald Goldnagl vom Landeskriminalamt Wien.

Minderjährige eingesetzt

Auch in die Struktur des Familienclans gaben die Ermittler Einblick: "Diese Gruppen sind in der Regel hierarchisch organisiert. Der 'Stammvater' ist in diesem Fall bereits gestorben, seine drei Söhne sind nun die Drahtzieher. Gemeinsam mit seinen zwei Brüdern plante der 34-Jährige den großangelegten Betrug", erklärt Valentin Szaga-Doktor vom Landeskriminalamt Wien. Die Familie umfasse etwa 15 Personen, die ihre "kriminellen Fähigkeiten weitervererbt hat", so der Ermittler weiter.

Rip-Deal-Familienangehörige geben ihre Fähigkeiten in allen Belangen an die nachfolgenden Generationen weiter. In diesem Fall wurde sogar die jüngste Generation für kriminelle Machenschaften eingesetzt: Ein Zwölfjähriger gab sich als Sekretärin aus und erledigte diverse Telefondienste für den 34-Jährigen. "Jedes Familienmitglied hat sein Spezialgebiet. Einer ist zum Beispiel für die Beschaffung von Rufnummern zuständig, der andere für das Erstellen von Webseiten", erläutert Szaga-Doktor.

Hohe Dunkelziffer

Das Landeskriminalamt spricht von vier Opfern der Familie aus Deutschland. "In einem Fall ging es um eine prunkvolle Finca in Spanien, da wurde der Betrogene um 700.000 Euro gebracht", sagt Szaga-Doktor. Bei den anderen drei vollzogenen Betrugsfällen ging es um rund 200.000, rund 100.000 und rund 50.000 Euro. Er glaube nicht, dass nur vier Personen dem Clan zum Opfer gefallen sein. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. "Nach derzeitigen Ermittlungen dürften auch eine Wiener Immobilienfirma und eine Privatperson aus Tirol zu den Geschädigten gehören", erklärt Szaga-Doktor.

Sechs Täter

Die grenzüberschreitenden Ermittlungen laufen nach wie vor auf Hochtouren. Nach einem tatverdächtigen Serben wird derzeit in Deutschland gesucht. Insgesamt geht man von sechs weiteren Tätern aus, die noch flüchtig sind, heißt es vom Landeskriminalamt. Der Schaden wird derzeit auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. Die Betrogenen sehen von dem Geld in aller Regel nichts mehr. Die ergaunerten Summen werden schnell unter den Beteiligten aufgeteilt und gewaschen.

Kein neues Phänomen

Rip-Deals sind im Übrigen kein neues Phänomen, wie Goldnagl erläuterte. Diese Deliktform wird seit etwa 40 Jahren beobachtet. Opfer zu finden wurde aber im Internet-Zeitalter um einiges leichter. Die Rip-Deal Unit Vienna wurde im Mai 2020 nach drei spektakulären Fällen offiziell gegründet. Sie analysiert Fälle in ganz Europa - bisher 443. Bei den von der Unit betreuten Ermittlungen zu heimischen Fällen ging es um bisher mehr als zehn Millionen Euro Schaden. Derzeit ist die Unit in 87 Fälle involviert. 14 Festnahmen gehen auf das Konto der Unit, fünf der Verdächtigen sitzen im Ausland in U-Haft. 63 wurden ausgeforscht. Geklärt wurden Fälle mit 14,6 Millionen Euro Schaden.

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