Familie aus Kärntner Katastrophengebiet gerettet: "Unser Lebenswerk ist zerstört"
"Nichts ist wie früher. Nichts", sagt Birgit Zlattinger, als sie die Wiese hinter ihrem Zuhause nach oben schreitet. Oder vielmehr dem, was einmal ihr Zuhause war. Die Familie Zlattinger wurde von den heftigen Unwettern und Murenabgängen in der Nacht auf Mittwoch im Bezirk Villach-Land, bei denen ein Mann starb, massiv getroffen.
Ihr einstmaliges Gasthaus, direkt an der Straße in Einöde, einem Ortsteil von Treffen, steht im Parterre gut eineinhalb Meter unter Schlamm. Eine Verbindung zur Außenwelt gibt es Donnerstagvormittag nur per Luftbrücke.
Der KURIER war bei der Rettungsaktion der Flugpolizei dabei.
Lebensmittelvorräte unter Schlamm verschüttet
Kein Essen, kein Strom, kein Wasser, die Eingangstür so massiv von Schlamm und Geröllmassen verlegt, dass kein Hinauskommen mehr möglich war. "Wir hatten am Mittwoch ja noch Wasser, aber das war am Donnerstag weg. Und unsere Lebensmittelvorräte liegen alle unter dem Schlamm verschüttet. Und meine kleine, viereinhalbjährige Enkelin ist ja auch bei uns. Da haben wir um Hilfe ersucht", erzählt Rudi Zlattinger, der Mann von Birgit.
Die Hilfe landete um kurz nach 9 Uhr oberhalb des einst gelben Hauses der Familie in Form eines Polizeihubschraubers der Flugeinsatzstelle Klagenfurt und zwei Bergrettern. Auf jener Wiese, wo normalerweise friedlich Kühe grasen und die Birgit Zlattinger nun hinaufschreitet. In der rechten Hand einen Koffer mit den letzten Habseligkeiten. Wenige Minuten zuvor hatten zwei Bergretter die Familie noch mittels Leiter und angeseilt über den Balkon des Hauses ins Freie gebracht.
Rettung von Vierjähriger über Balkon
"Langsam. Sehr gut, ein Schritt nach dem anderen", sagt Bergretter Christoph Glanzer von der Bergrettung Villach. Einer nach dem anderen steigen die Familienmitglieder über die Balkonbrüstung auf die Leiter. Auch die viereinhalbjährige Ronja, das Enkerl der Zlattingers. "Die Katzen müssen auch mit", sagt sie kurz, als die Bergretter die beiden Katzenkörbe mit Merlin und Pummeluff Richtung Polizeihubschrauber tragen.
In wenigen Minuten wird die Rettung höchstprofessionell abgeschlossen sein und der Polizeihubschrauber mit Pilot Josef Samonig abheben. "Wir haben die vergangenen Tage viele Leute ausgeflogen. Das Problem ist momentan, dass wir einen festen Untergrund für den Hubschrauber brauchen, wenn wir landen. In diesem Fall war das gut möglich", sagt Samonig.
Was der Pilot meint, wird bei einem Blick aus dem Cockpit der Polizisten auf dem Flug von Treffen bis nach Einöde ersichtlich: Straßen, die plötzlich im Nichts verschwinden, ganze Felder, die nur mehr braun sind, Gehöfte, die von den Fluten umspült wurden, reißende Bäche, die eigentlich einmal Verkehrsrouten waren. Dazwischen erblickt man immer wieder schweres Einsatzgerät, das versucht, den Weg so rasch wie möglich frei zu machen. Damit das Gebiet nicht nur aus der Luft, sondern auch am Landweg erreichbar ist. Und die betroffenen Einwohner Hilfe erhalten.
1,40 Meter Schlamm in Wohnräumen
Rudi Zlattinger wird an diesem Tag nicht in den Polizeihubschrauber steigen. Er bleibt zurück. "Ich werde am Abend versuchen mit dem Traktor über die Straße zu meiner Schwester nach Treffen zu kommen. Dort kommen wir unter, bis uns jemand Helfer schickt, die uns beim Zusammenräumen von dem allen helfen."
Was mit "all dem" gemeint ist, wird bei einem Rundgang mit dem 66-Jährigen wenig später um sein Haus ersichtlich. Der Vorraum mit den orangen Plastikblumen, die sich mit letzter Kraft um einen Luster an der Decke ranken, ist 1,40 Meter hoch mit Schlamm verlegt. Die einstige Gaststube direkt daneben ist braun gefüllt mit Schlamm. Die Inneneinrichtung lässt sich maximal erahnen. "So schaut alles andere im Haus auch aus", sagt Zlattinger.
Wie geht es weiter?
Als das Wasser gekommen sei, in der Nacht auf Mittwoch, hat die Familie Zlattinger im ersten Stock geschlafen. "Das hat uns wahrscheinlich das Leben gerettet", sagt Rudi Zlattinger. "Wir sind dann raus und dann ist das Wasser sintflutartig gekommen. Wir hatten schon zwei, drei Mal Hochwasser. Aber so schlimm wars noch nie. Man muss damit leben. Leider." Und dann, mit Tränen in den Augen: "Unser Lebenswerk hat es fast zunichte gemacht. Alles war hergerichtet, wir wollten es uns in der Pension nun gut gehen lassen. Ich weiß selber nicht, ob wir das noch zustande bringen werden." Ja, seit Mittwochnacht ist hier nichts mehr wie früher.
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