"Extreme Situation" am Großglockner: Schlamm statt Schnee auf 3.600 Metern
Es ist Juli. Und doch fällt im Gespräch mit Martin Glantschnig, Obmann der Heiligenbluter Bergführer, immer wieder ein Wort: Schnee. „Wir hoffen, dass es bald schneit, das würde vieles erleichtern.“
Gemeint ist die Situation auf Österreichs höchstem Berg, dem Großglockner. Denn auf 3.798 Metern Seehöhe sprechen erfahrene Bergführer heuer von so gefährlichen Verhältnissen für Bergsteiger wie seit Jahren nicht mehr.
Besonders das 45 Grad steile Eisleitl, über das schon die Erstbesteiger den Gipfel erreichten und das normalerweise um diese Jahreszeit einer „Schneefahrbahn“ gleicht, sei komplett schneefrei, das Eis geschmolzen, die Steinschlaggefahr enorm hoch.
Bereiche völlig schneefrei
„Gerade im oberen Bereich gehst du durch Schlamm. Manche Stellen sind völlig ausgeapert“, sagt Bergführer Glantschnig. Auf einer Seehöhe von gut 3.600 Metern. „Wer flexibel ist, sollte den nächsten Schnee abwarten, bevor er eine Tour plant“, rät der erfahrene Bergführer.
Doch die wenigsten der rund 5.000 Bergsteiger, die es jährlich auf den Großglockner zieht, würden sich den Berg für September vornehmen. Die Hauptsaison für das Dach Österreichs ist jetzt: im Juni und im Juli. Bei den Bergprofis in Heiligenblut wird darum wöchentlich die Situation evaluiert. „Wir versuchen das Maximum an Sicherheit herauszuholen“, sagt Glantschnig. Waren früher Glocknerführer etwa mit maximal vier Personen in einer Seilschaft unterwegs, wurde dies Zahl bereits vor Jahren auf drei reduziert.
Weniger Personen am Seil
Sollte sich die Sicherheitslage am Berg aufgrund der steigenden Temperaturen weiter verschlechtern, sei eine Überlegung, die Zahl auf zwei Personen pro Bergführer zu reduzieren. „Solch eine extreme Situation, wie sie jetzt vorherrscht, hatten wir zuletzt vor gut 20 Jahren.“ Damals 2003, als nach einem schlechten Winter und einem extrem heißen Sommer, die Steinschlaggefahr am Berg durch den Wegfall von Schnee und Eis ebenfalls enorm zunahm.
Neuer Weg zum Gipfel
Das Eisleitl, das bereits öfters nach extrem heißen Sommern, den Aufstieg für Alpinisten erschwerte, bereitet den Glocknerprofis seit längerem Kopfzerbrechen. Darum wurde bereits 2020 eine Ausweichroute hinauf zum Kaiserkreuz angelegt.
Und dann gibt es noch das „Abräumen“, wie es die Bergführer im Schatten von Österreichs höchstem Berg nennen. „Seit 10 bis 15 Jahren, wenn alle Leute zurück auf der Hütte sind, gehen wir Bergführer nochmal auf den Berg und räumen die losen Steine weg. Wir beseitigen damit Gefahren und sorgen für unsere eigene Sicherheit“, sagt Glantschnig.
Viele Unfälle
Zunehmend von den Verhältnissen gefordert sind auch die Bergretter in Heiligenblut. „Wir haben nicht mehr Einsätze, aber es passiert mehr. Alleine in der vergangenen Woche gab es drei Verletzte im Eisleitl“, erzählt ein Bergretter. Zur Erklärung: Ein Plus in der Einsatzstatistik würde es deswegen nicht geben, da die meisten Bergführer selbst Bergretter sind und den Verletzten sofort zu Hilfe eilen und meist ein Hubschrauber statt der Bergrettung die Verletzten vom höchsten Berg Österreichs bringt.
„Die neuen Bedingungen am Berg erfordern viel technisches Können, was nur wenige Bergsteiger am Glockner haben“, erklärt Bergführer Glantschnig. Dessen Wunsch nach Schnee sich in der kommenden Woche wohl nicht erfüllen dürfte: Für Heiligenblut werden um die 30 Grad erwartet.
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