Und die sich immer öfter mit Klagen von Geretteten konfrontiert sehen. Was macht das mit einem Retter?
Ja, damit sind wir wirklich immer öfter konfrontiert. Wir hatten vor zwei Jahren einen Einsatz, wo sich der Gerettete beschwert hat, dass wir mit zu vielen Bergrettern ausgerückt seien. Seiner Meinung nach hätten zwei völlig gereicht. Er wollte klagen, hat dann aber Abstand davon genommen. Man kann als Ehrenamtlicher gar nicht mehr anders, als solche Fälle an die Rechtsabteilung weiterzugeben. Das ist traurig. Wir stehen mitten in der Nacht auf, steigen im Winter aus dem warmen Bett, rücken zu einem gefährlichen Einsatz aus, kommen oben am Berg an – und dann kannst dir anhören: Wo warts denn so lange? Da verläuft einem schon ein wenig die Motivation.
Wie haben sich die Bergsportler verändert, die man seit Corona im Gebirge trifft?
Ihre Ausrüstung ist sehr gut. Aber sie sind vor allem eines: leistungsorientierter. Sie setzten sich Ziele, die sie um jeden Preis erreichen wollen. Egal, ob ein Wetterumsturz kommt oder ob die Tagesverfassung mitspielt. Eine Strecke von zehn Kilometern im Flachen ist nun mal etwas anderes, als eine Strecke von zehn Kilometern in den Bergen mit 1.500 Höhenmetern. Aber weil sie ihr Ziel um jeden Preis erreichen wollen, geben sie nicht auf.
Die Leistungsgesellschaft erobert die Berge?
Ja, die Leistungsgesellschaft erobert die Berge und das geht meist in die Hose. Vor allem, weil für die Leistung der Genuss hintangestellt wird. Die kriegen vor lauter Zielen gar nichts mehr von der Natur mit.
Wer sozialisiert die Menschen heute für die Berge? Freunde, oder Bilder auf Instagram?
Menschen sind es meistens leider nicht mehr. Bei mir selbst war es mein Papa, mit dem ich angefangen habe, in die Berge zu gehen, dann ein älterer Bergretter. Heute hat jeder als Handyhintergrund ein Bild von der Olpererhütte, weil er dort war, weil alle anderen vor ihm auch dort waren und das Bild auf Facebook geteilt haben. Der Alpenverein leistet mit seinen Akademien gute Arbeit, aber das typische Heranführen an den Berg, durch Freunde oder Familie, das wird immer weniger. Auf sogenannten Modebergen kreuchen und fleuchen heute Leute, wo man sich nur mehr denkt, der hat da nix verloren, weil seine Fähigkeiten nicht ausreichen.
Hat sich die Mentalität am Berg verändert? Stichwort: Wenn ich nicht mehr kann, kommt eh der Hubschrauber und rettet mich.
Ja, diese Vollkaskomentalität ist ganz klar vorrangig. Viele schließen eine Versicherung ab und denken sich am Berg dann: Ah, das wird sich schon irgendwie ausgehen. Das aber ein Hubschrauber nicht bei jedem Wetter einsatzbereit ist, wird gerne vergessen.
Was ist Ihr Tipp für alle, die heuer einen Wanderulaub planen?
Sich die Ziele nicht zu groß setzen, sich langsam an die Berge herantasten, sich vom Flachland kommend erst akklimatisieren und mit Gespür an den Berg herangehen. Ein Berg lässt sich nicht mit Gewalt besteigen. Raus aus dem Leistungsdenken, in zwei Stunden 1.000 Höhenmeter machen zu müssen, sondern einfach ein bisschen die Natur genießen.
Ehrenamtliche Retter für die Notlage am Berg
In Österreich gibt es mehr als 13.000 Bergretterinnen und Bergretter. Zweck des Österreichischen Bergrettungsdienstes (ÖBRD) ist es, wie es auf der Homepage heißt, „insbesondere im unwegsamen, alpinen Gelände Verunglückten, Vermissten oder sonst in Not Geratenen zu helfen, sie zu versorgen, zu bergen und zu retten“.
Sieben LandesstellenUnterteilt ist der ÖBRD in sieben Landesorganisationen. Wien und Niederösterreich bilden eine Einheit, im Burgenland gibt es keine eigene Landesleitung. Die meisten Bergretter gibt es mit mehr als 4.500 Ehrenamtlichen in Tirol, gefolgt von Salzburg (knapp 2.000) und der Steiermark (rund 1.800).
Wer Bergretter werden will, muss mindestens 16 Jahre alt sein, eine Aufnahmeprüfung bestehen und ein mehrteiliges Ausbildungsprogramm im Sommer und Winter durchlaufen. 2019 konnten 8.910 Personen von den Bergretterinnen und -rettern geborgen werden. Insgesamt kam es zu 8.958 Einsätzen. Tendenz gerade seit Corona steigend.
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