Everest-Legende Habeler: „Viele sehen Berge durch die rosarote Brille“
Die Ski habe er extra mitgenommen. Sommerhitze hin oder her. „Weil sonst wär sich unser Interview nicht ausgegangen“, sagt das Gegenüber am Telefon. „Gschwind“ habe er vor dem Gespräch nämlich noch auf den Olperer müssen.
Mit dem Olperer ist ein 3.476 hoher Berg in den Zillertaler Alpen gemeint. Und wer es so eilig hatte, ist niemand geringer als Peter Habeler. Lebende Berglegende, alpinistischer Vordenker, Geburtstagskind. Heute wird der „Peter“, wie ihn in seiner Tiroler Heimat alle nennen, 80 Jahre alt. Wie fällt er aus, der Rückblick? Auf das Leben und den Everest, den Habeler gemeinsam mit Reinhold Messner vor 44 Jahren erstmals ohne zusätzlichen Sauerstoff bestieg.
„Schön. Ich hatte viel Glück. Dass ich g'sund blieben bin und immer die richtigen Partner hatte. Der Reinhold (Messner, Anm.) war ein Überflieger, von dem habe ich gewusst, der hüpft mir bei der Besteigung nicht ins Kreuz“, erinnert sich Habeler.
Abschied von vielen Bergkameraden
Viele seiner Bergkameraden hätten nicht so viel Glück gehabt. Die Namen, die Habeler aufzählt, scheinen endlos. Darunter auch David Lama, alpinistischer Ziehsohn des Zillertalers. Mit vier Jahren entdeckt Habeler den Buben in einem seiner Kletterkurse. Noch mit knapp 75 durchstieg er mit Lama die Eiger-Nordwand. 2019 starb Lama durch eine Lawine. Mit gerade einmal 28 Jahren.
Zwei Mal sei es auch für Habeler „knapp gewesen“. Einmal etwa am Achttausender Cho Oyu. „Wir konnten uns bei schwerem Sturm in kein Schneeloch eingraben, weil alles völlig abgeblasen war. Wir sind dagehockt und haben uns nur gedacht: „Teifel, was tu ma jetzt?“ Am Ende besserte sich das Wetter.
In der Natur müsse man sich der Natur eben anpassen, wird der 80-Jährige später erzählen. „Viele sehen Berge und ihre Gefahren durch die rosarote Brille. Aber wer rauf geht, kann runterfallen. Vom Berg kommt nicht nur Gutes. Wir sind ein winziger Wurm, in der Natur. Und so gilt es sich auch zu verhalten.“
Der Everest heute: Massenansturm statt Pionierleistung
Eine Einstellung, die bei Bildern von Massenbesteigungen am Everest, mit Bergsteigern im Luxuszelt, verloren gegangen scheint. „Das gefällt mir nicht. Da kann man sagen, der Habeler ist ein ewig Gestriger. Aber das bin ich in dem Fall gern“, sagt jener Mann, der mit seinem minimalistischen alpinen Stil Geschichte schrieb. So wenig Gepäck wie möglich, um so schnell wie möglich am Gipfel zu sein.
„Die Faszination im Gebirge und im Leben ist das Minimale. Ich brauche auch heute noch nicht viel. Wenn ich auf den Berg gehe, nehme ich keine Schweinshaxe mit, sondern ein paar Datteln“, sagt der Everest-Pionier, der noch heute 59 Kilo wiegt. „Gleich viel wie mit 16“, sagt er und legt mit einer Episode von der Vormittagsrunde am Olperer nach. Immer wieder würde er dort „überausgerüstete“ Bergsteiger treffen. „Ihr seids ja bewaffnet bis auf die Zähne“, sagt er dann zu ihnen. Im Gespräch folgt: „ Ausrüstung beruhigt halt auch.“
"Scheitern" als Unwort
Das Alter sei Habeler übrigens egal. „Klar, es gibt nix Besseres als die Jugend. Man spürt keine Angst. Aber ich bin kein Fantast. Ich bin mit 80 nicht mehr so gut wie mit 35. Ich bin umsichtiger. Wir sollten doch alle mehr aufeinander aufpassen“, sagt der Extrembergsteiger, aus dem dabei der Bergführer spricht, der Habeler immer war.
Nur ein Wort mag er nicht: „Scheitern“. Ich gehe auf den Berg wegen dem Gipfel, nicht wegen dem Weg, weil ich ein Ziel brauche. Aber wenn es nicht geht, dreht man um. Man scheitert nicht. Man muss nicht zwingend auf einen Gipfel, weil einen Schmarrn muss man.“
Heute wird der Bergfex mit 160 Gästen in Mayrhofen seinen Geburtstag feiern, darunter auch die noch lebenden Mitglieder der einstigen Everest-Expedition.
Und eines gibt es von dort wohl ebenso „gschwind“ wie vom Olperer: Legendäre Berggeschichten von echten Legenden.
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