Erste Kapellmeisterin: Der Salzburger Dom in weiblicher Hand
Andrea Fournier schlichtet gerade Unterlagen, Noten, Bücher und Erinnerungen. Mehr als 30 Jahre war ihr Vorgänger im Amt. Ein Generationenwechsel in der Dommusik, die auf eine 600 Jahre lange, bewegte Geschichte zurückblickt.
Zum allerersten Mal gibt nun eine Frau den Takt an. Ob die Zeit dafür reif ist? „Man hat schon das Gefühl, das man ein Vielfaches eines Mannes leisten muss, um die gleiche Anerkennung zu bekommen“, sagt sie über ein zaghaftes Aufbrechen einer Männerdomäne.
Die Erwartungshaltungen seien andere: Während Männer lange als künstlerische Freigeister gelten, fehle bei Frauen schnell einmal der Ordnungssinn.
Vom Orgeltalent zur ersten Domkapellmeisterin
Ihr Biografie scheint straff organisiert zu sein: Sie war erst neun, als sie ein Pfarrer in der Allgäuer Heimat als Orgeltalent entdeckte. Mit 24 wurde sie Organistin in Graz.
Mit einer Wohnung direkt neben der Stadtpfarrkirche hatte sie als junge Mutter keine langen Wege, ging oft zur Probe, während das Babyfon eingeschaltet war.
Zu Weihnachten war sie immer schon fast durchgehend in der Kirche. „Wir sind eine Kirchenmusikerfamilie“, lacht sie. Erst seit September ist Salzburg neuer Lebensmittelpunkt. Ihr Ankommen? „Es war schon ein Schnitt im Leben.“ Das Neue lockte.
Intensiver Einsatz zu Weihnachten
Wenn sich der Jahreskreis schließt, dirigiert sie im Dom bei Pontifikalvesper, Christmette und Jahresschlussandacht. Erklingen wird Anton Diabellis Pastoralmesse und – so nah am Entstehungsort des Liedes ein Fixpunkt – auch „Stille Nacht“.
„Der Dom mit den verschiedenen Emporen ist ein unglaublich spannender Raum. Man kann ihn auch experimentell bespielen“, schwärmt die neue Kapellmeisterin.
Ihr musikalischer Bogen ist breit: Von der Gregorianik bis zu zeitgenössischen Werken. „Ich sehe es als Aufgabe, aus jeder Zeit gute Stücke zu bewahren und trotzdem nicht den Blick aufs Neue zu verlieren.“
Mit ihrem Takt will sie auch erspüren, wie die Stadt tickt. Im Team: Alle Musiker des Domchors und Orchesters, bis zu den Organisten und den Jugendchören wie Singmäuse oder Zeiserl.
Über die besondere Kraft der Musik
Gerade in schwierigen Zeiten gehe von Musik eine besondere Kraft aus. Ein gesungenes Wort berühre mehr als ein gesprochenes. „Das wird mich immer an Corona erinnern“, meint Fournier.
Sie bemüht sich, die Durststrecke mit den vielen Verboten nicht zu vergessen. Jetzt komme wieder zu schnell Jammerei über zu viel Trubel auf. „So tickt offenbar die Menschheit. Seien wir doch froh, Weihnachten ohne Einschränkungen feiern zu können.“
Tourismus als starker Faktor in Salzburg
Mit einem leeren Dom war Fournier noch nie konfrontiert. Wenn auch erzählt wird, dass seit Corona weniger Kirchgeher kommen. Die Besucher sollen künftig selbst wieder vermehrt mitsingen, wünscht sie sich.
Und dann ist da noch der Tourismus, ein besonders starker Faktor, der sie in seiner Dimension überraschte. Bis zu 500 Besucher strömten allein im Advent zu den Mittagskonzerten.
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