"Erschließung von Gletschern ist nicht mehr vertretbar"
"Der Nutzungsdruck auf die letzten alpinen Freiräume ist größer denn je", bedauert Andreas Ermacora, Präsident des österreichischen Alpenvereins. Speziell Tirol sei davon betroffen: Zwar wurde die sogenannte "Gletscherehe" zwischen Ötztaler und Pitztaler Gletscher erst im Vorjahr nach massiven Protesten und einem negativen Votum der lokalen Bevölkerung abgedreht.
Doch ein Ende des Ausbaus von Skigebieten in der Region bedeutet das dennoch nicht. Denn Pitztaler wie Kaunertaler Bahnen – beide in Hand der selben Eigentümer – wollen ihre Skigebiete erweitern und haben die Pläne bereits eingereicht.
Als Grundlage dafür dienten die – letztlich abgelehnten – Pläne des ursprünglich anvisierten Zusammenschlusses. Das alarmiert nun Naturschutzvereine, denn in den neuen Ausbauplänen tauchte ein alter Bekannter auf, der Linke Fernerkogel. Die Pitztaler Gletscherbahnen wollen eine neue Seilbahn auf das Joch unterhalb des Fernerkogels führen. Er hätte auch bei der "Gletscherehe" erschlossen werden sollen.
Deshalb fordern österreichischer wie deutscher Alpenverein, Naturfreunde und WWF, den Linken Fernerkogel in das Ruhegebiet Ötztaler Alpen einzuschließen. Das hat seinen Grund: In einem derart ausgewiesenem Gebiet sei Erschließung jeder Art durch neue Infrastruktur – sei es mit Straßen oder eben Seilbahnen – nicht zulässig, betont Ermacora.
Umdenken im Wintertourismus
Das sei nicht bloß eine Reaktion auf die neuerlichen Ausbaupläne. "Unser Wunsch einer Ausweitung des Ruhegebietes ist gut 20 Jahre alt“, versichert Ermacora. "Das würde ein Umdenken im Wintertourismus besiegeln."
Die Zukunft und damit Chancen für Tourismus wie Umwelt liege im"„naturverträglichen Bergsport", wie Roland Stierle, Präsident des Deutschen Alpenvereins, meint. Pisten und Aufstiegshilfen stünden dem aber im Weg: So wäre eine der neuen Seilbahnstationen nur wenige Meter unterhalb der Braunschweiger Hütte geplant, die ein Stützpunkt für Touren entlang eines Fernwanderweges über die Alpen ist. "Neue Pistenflächen würden das jetzige Hochtourengebiet vernichten", hieß es seitens des AV.
Überhaupt sei jede weitere Erschließung von Gletschern "in der heutigen Zeit nicht mehr vertretbar", mahnt Stierle im Hinblick auf Klimawandel und niederschlagsarme Winter. Durchschnittlich verlieren die Gletscherzungen pro Jahr 20 bis 30 Meter an Länge. "Auch die Dicke nimmt ab."
Ende einer Ära
Anderswo werden deshalb bereits Gletscherskigebiete geschlossen: Auf dem Dachstein wurde vor Kurzem das Ende einer Ära eingeläutet – um den Gletscher zu retten, wird es dort nie mehr Skibetrieb mit Liften geben. Denn innerhalb weniger Jahre schrumpfte die Schneedecke auf dem Gletscher um rund 30 Meter. Der Abbau der Schlepplifte hat bereits begonnen, bis Ostern sollen die Arbeiten beendet sein.
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