Eine richterliche Ohrfeige für die amtlichen Wolfsjäger

Eine richterliche Ohrfeige für die amtlichen Wolfsjäger
Der Europäische Gerichtshof hält fest, dass das Raubtier nur unter strengen Ausnahmen bejagt werden darf. Das wird nicht ohne Folgen bleiben.

Es wird weiter geschossen. Das ist der Grundtenor der Reaktionen jener Bundesländer, die Jagd auf den Wolf machen, auf ein am Mittwoch veröffentlichtes Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dabei hält der klar fest, dass das Wolfsjagdverbot in Österreich weiterhin gilt. 

Ausnahmen setzt das Gericht einen strengen Rahmen. Zentrale Argumente der Befürworter von Abschüssen werden regelrecht zertrümmert.

Ausgangspunkt der Klarstellungen war Tirol. WWF und Ökobüro hatten Beschwerde eingelegt, nachdem die Tiroler Landesregierung 2022 einen Wolf per Bescheid zum Abschuss freigab. Das Tiroler Landesverwaltungsgericht (LVwG) hatte daraufhin den EuGH um eine Auslegung des EU-Rechts in dieser Frage gebeten. 

Die hatte sich 2021 Jagd- und Agrarlandesrat Josef Geisler (ÖVP) noch ausdrücklich gewünscht.

Unbeeindruckt

Er ortet aber nunmehr in der Entscheidung des EuGH „keine unmittelbaren Auswirkungen auf Tirol“. So sehen es auch Kollegen von ihm in anderen Bundesländern. „Wir werden an unserer Praxis, die sich bewährt hat, festhalten“, sagt Kärntens Jagd- und Agrarreferent Martin Gruber (ÖVP). 

„Unsere Vorgangsweise ist praxisorientiert und im Einklang mit den derzeitigen rechtlichen Vorgaben“, meint auch OÖ-Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP).

Geisler wiederum hatte schon vor dem Urteil darauf verwiesen, dass sich inzwischen der Rechtsrahmen in Tirol geändert hat. Tatsächlich hat die schwarz-rote Landesregierung Anfang 2023 als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Abschüsse von Wölfen sogar noch erleichtert.

Nach dem Vorbild von Kärnten, dem inzwischen auch Salzburg, Vorarlberg, Ober- und Niederösterreich gefolgt sind, können Abschüsse der Raubtiere seither einfach verordnet werden. Bescheide, wie jene im Jahr 2022 müssen nicht mehr erlassen werden. 

Damit wurde Tierschutzorganisationen bewusst die Möglichkeit auf Beschwerden gegen Abschüsse genommen. Dabei hatte der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in einer ähnlichen Rechtsfrage klargestellt, das Umweltschutzorganisationen „grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme am behördlichen Verfahren zusteht“, wenn EU-Umweltrecht berührt wird. 

Strenger Schutz für Arten

Im konkreten Fall ging es um eine Abschussverordnung für Fischotter in NÖ. Auch diese Art ist wie Wolf, Bär und Luchs in der EU nach der sogenannten Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) streng geschützt. Die soll für bestimmte Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten einen guten Erhaltungszustand gewährleisten.

Für den EuGH steht fest, dass sich die Wolfspopulation in Österreich in keinem guten Zustand befindet. Und er hält fest: Selbst wenn ein guter Erhaltungszustand erreicht wäre, heißt das nicht, dass der Schutz durch die Habitatrichtlinie für das Raubtier dann nicht mehr gilt.

Konsequenzen

Die Erkenntnisse des EuGH werden, anders als Geisler meint, voraussichtlich sehr wohl Auswirkungen auf Tirol und ganz Österreich haben. Das Urteil bezieht sich nämlich nicht auf den ursprünglichen Bescheid, sondern macht klar, wie die FFH-Richtlinie auszulegen ist. 

Namhafte Rechtsexperten sehen Abschüsse nun erschwert. Geisler will an der Bejagung festhalten und verfolgt weiter die von Wolfsgegnern ins Feld geführte Argumentation: „Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht und gehört reguliert, wie jedes andere Wildtier auch.“

Der EuGH macht aber klar, dass dafür nicht die Wolfspopulation in den Alpen der Maßstab ist. Bevor über die Grenze geblickt wird, muss der Erhaltungszustand vielmehr auf lokaler wie nationaler Ebene gewährleistet sein.

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