Nur, dass alles schlimmer geworden sei, als sie vor sechs Jahren aus der Ukraine nach Österreich gekommen ist. "Ich habe im Traum nicht daran gedacht, jemals aus meiner Heimat wegzugehen. Ich hatte dort alles, ich war eine gemachte Frau", schildert Natalia. Aber die Kämpfe, die 2014 im Osten der Ukraine ausbrachen, hätten ihr keine Wahl gelassen.
Flucht in den Alkohol
In Österreich war dann alles anders. "Ich verstand die Sprache nicht, hatte keinen Job, mein Ehemann, der mich nach Österreich holte, entschied, wann ich mich mit wem treffen durfte. Es war, als wäre ich plötzlich eine andere Person, ich fühlte mich wie ein entwurzelter Baum", sagt Natalia.
Sie fing an zu trinken. Und mit ihrem Partner zu streiten. Alina wurde das irgendwann zu viel. Sie lief zweimal von zuhause weg – und kam in eine Einrichtung der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11).
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Beim Blick in die Statistik zeigt sich, dass Alina kein Einzelfall ist. Im vergangenen Jahr gingen 11.995 Gefährdungsmeldungen bei der MA 11 ein – vor drei Jahren waren es noch 9.793 Fälle.
Jede Person, egal ob Nachbar, Verwandter oder Bekannter, ist grundsätzlich dazu berechtigt, bei der Kinder- und Jugendhilfe eine Kindeswohlgefährdung zu melden. "Wir bieten dem Kind beziehungsweise der Familie dann Hilfe an. Es gibt auch keine Pflicht, eine Anzeige zu erstatten, was viele betroffene Familien erleichtert", sagt Regina Brandstetter, Regionsleiterin der Kinder- und Jugendhilfe.
Vernachlässigung
Am häufigsten wird die MA 11 wegen Vernachlässigung von Kindern eingeschaltet. In 28 Prozent aller Fälle war psychische Gewalt der Auslöser, in 16 Prozent körperliche Gewalt. Sexuelle Gewalt spielte vergleichsweise eine geringe Rolle: Nur ein Prozent der Gefährdungsmeldungen gingen auf sexuelle Übergriffe zurück.
"Rund ein Drittel aller Meldungen bekommen wir über die Polizei", sagt Brandstetter. 22 Prozent kämen über Schulen und Kindergärten, gefolgt von Krankenhäusern und Wahrnehmungen der Kinder- und Jugendhilfe selbst. Die Angst vor der MA 11 sei aber nach wie vor groß, wie Brandstetter aus Erfahrung weiß.
Angst vor der MA 11
Auch bei Natalia. "Ich wusste nicht, was dann mit Alina passiert, wo sie sie unterbringen. Und wann ich sie wiedersehen könnte", erzählt die Ukrainerin. Alina war insgesamt zwölf Wochen in einem Krisenzentrum untergebracht.
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Eine Zeit, die für ihre Mutter zum Wendepunkt wurde. Sie entschied, sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen. Sie begann eine Therapie. "Wenn man untergeht, muss man manchmal den Boden berühren, um wieder aufzutauchen", sagt Natalia über diese Zeit. Unterstützung bekam sie dabei von der Sozialarbeiterin Maria, die für die Kinder- und Jugendhilfe arbeitet. "Es dauerte, bis Natalia Vertrauen zu mir gefasst hat. Das ist in so einer Situation aber absolut nachvollziehbar", erzählt diese.
Groll gegen die Kinder- und Jugendhilfe hegte die Mutter keine. "Ich habe damals ja verstanden, warum meine Tochter weggelaufen ist. Es ist mir nur schwergefallen, Hilfe anzunehmen", schildert die 55-Jährige.
Gemeinsames Leben
Gemeinsam mit ihrer Sozialarbeiterin schaffte sie es aber, zurück in ein selbstständiges Leben zu finden – ein Leben mit ihrer Tochter. "Dank Maria haben wir einen Platz in einer Mutter-Kind-Einrichtung gefunden. Es fühlt sich an, als würde ich endlich wieder die Frau werden, die ich vor Jahren schon einmal war", sagt Natalia.
*Namen wurden von der Redaktion geändert
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