Warnruf der Retter: Österreich geht das Blut aus
Philipp Aschauer war zu schnell dran, als er sich mit seinem Moped in die Kurve legte. Das Zweirad rutschte weg, Aschauer zertrümmerte sich bei dem Sturz ein Bein. Der damals 15-Jährige verlor viel Blut, musste dreimal operiert werden. Es ist nicht nur der Kunst der Ärzte zu verdanken, dass der Niederösterreicher heute wieder voll fit ist, es waren auch die dafür dringend benötigten Blutkonserven vorhanden, die das Leben des Mannes retteten.
Seit seinem schweren Unfall war Aschauer 33-mal Blutspenden. „Ich habe am eigenen Leib erfahren müssen, wie wichtig die Hilfe anderer sein kann. Der Aufwand ist gering, das Ergebnis dafür umso wichtiger“, sagt er.
Das Rote Kreuz würde sich viel mehr Menschen mit dem Engagement Aschauers wünschen. Im Jahr 2021 haben in Österreich insgesamt 222.295 Personen Blut gespendet. Das klingt im ersten Moment viel, ist es aber nicht. Umgerechnet strecken damit nur 3,56 Prozent der Bevölkerung im spendefähigen Alter ihren Arm für eine Blutabnahme aus.
Nationale Unterschiede
Bemerkenswert sind dabei auch die nationalen Unterschiede. Während Wien mit 1,6 Prozent Schlusslicht ist, kommt man in Tirol auf immerhin 5,5 Prozent. Allerdings muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die Bundeshauptstadt mit diesem Wert noch immer im europäischen Durchschnitt liegt – verglichen mit anderen großen Städten.
Engpass durch Pandemie
Die Folgen sind für das Gesundheitssystem jedenfalls durchaus gefährlich. Weil die Blutkonserven gekühlt maximal 42 Tage haltbar sind, sei die Situation in den Lagerbeständen derzeit besorgniserregend, berichtet Bundesrettungskommandant Gerry Foitik. Der Bedarf ist aber groß, 1.000 Konserven werden pro Tag österreichweit benötigt – alle 90 Sekunden eine.
Dass Österreich das Blut auszugehen droht, hat freilich auch mit der Pandemie zu tun. Viele Menschen mussten krankheitsbedingt pausieren, gingen überhaupt weniger aus dem Haus, jetzt werden aber verschobene Operationen, die in den vergangenen zwei Jahren nicht zeitkritisch waren, nachgeholt. Das hat zur Folge, dass – anders als in der Vergangenheit – nicht die notwendigen Reserven aufgebaut werden konnten, um gut durch den Sommer zu kommen. Experten wissen aus langjähriger Erfahrung: Grippewellen und anhaltende Hitzeperioden sorgen immer wieder für besonders dramatische Blut-Flauten.
„Leider beobachten wir im Sommer erfahrungsgemäß einen starken Rückgang an Spendern. Wir sind daher auf die Unterstützung jeder und jedes Einzelnen angewiesen und rufen Menschen aller Blutgruppen auf, zur Blutspende zu kommen und uns zu helfen, unsere Lagerbestände vor dem Sommer auf ein sicheres Niveau zu bringen“, erklärt Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes.
Aktionismus
Angesichts der angespannten Lage setzt man in Niederösterreich unterdessen auf Aktionismus. Mit dem heutigen Weltblutspendetag werden landesweit 260 Aktionen gestartet. Gelockt wird laut Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf unter anderem mit einem Gewinnspiel, es gibt Wellnesswochenenden und weitere Gutscheine zu gewinnen.
Novelle
Auf politischer Ebene hat das Thema Blutspenden in der Vergangenheit ebenfalls immer wieder für teils heftige Diskussionen gesorgt. Der Grund: Bislang wurde Homosexuellen der freiwillige Aderlass untersagt, Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat die, wie er sagt, „völlig aus der Zeit gefallene Ungleichbehandlung“ mit einer Novelle in der Blutspendeverordnung beendet. In Zukunft soll stattdessen eine „Drei-mal-drei-Regel“ für alle gelten: Wer innerhalb der letzten drei Monate mit drei verschiedenen Partnern oder Partnerinnen Sex hatte, wird für drei Monate von der Blutspende ausgenommen – ungeachtet der sexuellen Orientierung.
Kommentare