Ein Marathonläufer hat auch mit 90 ein Ziel vor Augen
Nach dem ersten Mal hat es schon ein bisschen wehgetan. „In den Beinen“, sagt Julius Holzner. In drei Stunden und 20 Minuten lief der Grazer in München durchs Ziel. Das war 1992: Holzner war 60 Jahre alt, als er seine erste Marathonmedaille holte.
In einer Woche feiert Holzner seinen 90. Geburtstag, ein Meilenstein, der ihn aber nicht von seinem nächsten Ziel ablenkt: Einen weiteren Marathon im Herbst zu laufen.
„Wenn’s gesundheitlich passt, dann ja, natürlich“, erklärt der Grazer, der damit wohl der älteste aktive Marathonläufer Österreichs wäre. Der älteste Teilnehmer des Vienna City Marathon im April war etwas jünger, Jahrgang 1940 nämlich. Holzner dagegen wurde 1932 geboren.
Zu jung für Weltrekord
Für Weltrekord wäre der Grazer damit aber dennoch eine Spur zu jung: Das Guinness Buch der Rekorde führt Dimitrion Yordanidis als ältesten Marathonläufer an; der 98-Jährige kam 1976 in Athen nach sieben Stunden, 33 Minuten ins Ziel. Älter war sogar noch Fauja Singh, er lief 2011 den Toronto Marathon in acht Stunden und 25 Minuten – als 100-Jähriger. Doch da er keine gültige Geburtsurkunde vorweisen konnte, wurde dieser Rekord nie offiziell anerkannt.
Als älteste Marathonläuferin der Welt gilt Gladys Burrill, sie schaffte 2010 als 92-Jährige den Honolulu Marathon mit neun Stunden, 53 Minuten. Ihren ersten Lauf über die Volldistanz von 42,195 Kilometer absolvierte sie übrigens erst sechs Jahre davor, mit 86 Jahren. „Geht einfach raus, rennt oder geht“, empfahl sie danach. „Denkt positiv. Das macht einen großen Unterschied.“
Ein Rat, der auch vom Grazer Julius Holzner stammen könnte. „Es ist keine besondere Überwindung, die man braucht, um laufen zu gehen. Und dass Bewegung gesund ist, weiß man ja. Aber man muss schon auch dabei bleiben.“ Er läuft erst, seit er in Pension ist. „Das hat sich so ergeben“, erinnert er sich. „Als Vorbereitung für die Besteigung des Mont Blanc.“ Da habe ihm der Bergführer Waldläufe empfohlen, um die Ausdauer zu trainieren.
Die Tour auf den Mont Blanc klappte, die Laufliebe war geboren. „Ich bin auf den Geschmack gekommen und war immer in der Früh ein bisserl laufen.“
Mit Trainingsplan oder gar Trainer? „Aber gar nix. Das hat sich alles so ergeben“, versichert Holzner. Wie die Sache mit den Laufveranstaltungen. Er schloss sich einer Gruppe von Freunden an, die wöchentlich gemeinsam lief und sich die „Sonntagslaufrunde“ nannte. Einige aus der Gruppe nahmen auch regelmäßig an Laufbewerben teil. „Da hab’ ich mir gedacht, das will ich auch.“
Seinen ersten Marathon lief der dreifache Vater und mehrfache Opa 1992 in München, im selben Jahr auch den New York Marathon, am 1. November, dem ersten Tag im Ruhestand. Beruflich jedoch nur, denn danach ging es mit der Lauferei erst richtig los. Mehr als 300 Wettbewerbe hat der Grazer in den Beinen, rund 70 davon Marathons, rund 20 gar noch länger, Ultraläufe nämlich. Sie starten, wenn Marathons quasi schon beendet sind, also ab einer Distanz von 42 Kilometer, dann aber ohne Limit nach oben.
Wie der „Ultra Trail du Mont Blanc“: 170 Kilometer geht es ohne Pause um das Bergmassiv. „Zehn Mal bin ich den gelaufen“, zählt der Grazer auf. Beim letzten Mal war er knapp 70 Jahre alt.
Seither geht er es zwar gemächlicher an, aber umso konsequenter. Zuletzt lief er Anfang April einen Viertelmarathon in Graz, die Distanz über 10,5 Kilometer bewältigte der knapp 90-Jährige in einer Stunde und 30 Minuten.
Positives Gefühl
Seinen bisher letzten Marathon lief er im Jahr 2019, als 87-Jähriger war er der älteste Teilnehmer. Zielzeit: Fünf Stunde, 58 Minuten und 40 Sekunden. Für den nächsten Start im Oktober hat Holzner ein ähnliches Ergebnis im Sinn: „Ich würde schon unter der Karenzzeit von sechs Stunden bleiben wollen. Ich hoffe, das geht sich aus.“
In den Altersklassen, in denen sich Holzner in den vergangenen 30 Jahren bewegt hat, ist die Teilnehmerzahl freilich überschaubar. Aber Konkurrenz gibt es zuweilen doch, vor allem auf kürzeren Distanzen. „Natürlich hat es einen gewissen Reiz, ob man Erster, Zweiter oder Dritter wird“, gesteht der Grazer ein, der sich seine Ergebnisse über die 30 Jahre penibel in Ordnern notiert hat. Die meisten seiner Pokale hat Holzner aber längst verschenkt. „Bei mir verstauben die ja nur“, sagt der Grazer. „Wichtig ist, dass man durchkommt, ein positives Gefühl hat. Und dass man beim nächsten Mal vielleicht ein bisschen besser wird.“
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