Marathon-Mentaltraining: Wenn der Kopf die Beine ins Ziel trägt

Während es beim Wien Marathon am Sonntag (8.58 Uhr/live ORF1) einem Großteil der 31.370 Teilnehmer ums Dabeisein geht, machen gut 7.900 Läufer und Läuferinnen Angriff auf die volle Distanz. Der KURIER wollte wissen, wie wichtig dabei das mentale Training ist.
Den Marathon im Kopf gewinnen? So weit würde Natascha Marakovits nicht gehen. Die Sportpsychologin (www.mindrunna.at) ist selbst bereits neunmal die 42,195 Kilometer gelaufen und weiß, dass immer noch der Körper das Rennen macht. In Wahrheit sei es nämlich so: „Der Kopf gibt als erstes auf. Man ist körperlich noch zu irrsinnig viel in der Lage, wenn man schon glaubt, es geht nicht mehr.“ Und genau deshalb ist das mentale Training bei Langstreckenläufen so wichtig. Was kann man also tun, um die Distanz zu schaffen? Und wie trainiert man den Geist?
Lächeln
Klingt lustig, ist es aber nicht. Zumindest nicht unbedingt. Egal, ob man gut gelaunt ist, oder nicht, ein Lächeln spornt den Körper zu besseren Leistungen an. Warum? Laut US-Studie aus dem Jahr 2018 senkt ein bewusstes Lächeln während des Laufens den Sauerstoffverbrauch um zwei Prozent. Das entspricht einer Leistungssteigerung nach 13-wöchigem Krafttraining. Im Grunde „trickst“ man das Gehirn aus, erklärt die Psychologin. Ähnlich verhält es sich mit der Körperhaltung. Bei einem aufrechten Läufer sinken schon am Start die Stresshormone, das Testosteron steigt – so wird eine bessere Leistung möglich.
Ziel
Wer am Start steht, muss ein Ziel vor Augen haben. Aber nicht nur physisch – das Ziel vor dem Burgtheater – sondern auch mental. „Ich muss mir klarmachen, warum ich diesen Marathon überhaupt laufe“, sagt die Psychologin. „Das hilft mir in schwierigen Phasen des Laufs.“
Lösungen
„Jeder Marathon besteht aus Wellen“, sagt Natascha Marakovits. Für die Tiefpunkte muss man sich schon vor dem Start Lösungen zurechtlegen, während des Rennens sei es zu spät. Man kennt seine Schwachstellen und kann zumindest teilweise voraussehen, an welcher Stelle im Körper früher oder später ein Schmerz zu erwarten ist. „Wenn man sich mental Lösungen zurechtlegt, kann man den Schmerzpunkt überwinden“, sagt die Psychologin. „In zwei Kilometern kann die Sache schon wieder ganz anders ausschauen.“
Selbstgespräche
Spätestens hier kommt ins Spiel, auf welche Weise man mit sich selbst spricht. Schon in den Trainings kann daher jede Läuferin beobachten: Wie rede ich mit mir? Bleibe ich negativ: „Es tut so weh“, „Ich schaff das nicht“, „Niemals“… – oder kann ich es positiv formulieren: „Ich schaff das“, „Die Hälfte ist schon erledigt“, „Ich habs schon einmal ins Ziel geschafft“. Positiv bleiben kann Wunder bewirken.
Ankerpunkte
Sich die positiven Gefühle nicht nur vorsagen, sondern sie förmlich spüren, ist Mentaltraining für Fortgeschrittene: Man versetzt sich dabei (am besten mit professioneller Begleitung) schon Wochen vor dem Event immer wieder in ein herausragendes Wettkampferlebnis hinein und verinnerlicht das mit einem Anker, also einer Berührung oder Bewegung. Das kann eine geballte Faust sein, die Hand aufs Herz oder die Finger reiben. Das kann man dann im Rennen einsetzen – um im besten Fall ein neues, positives Wettkampferlebnis dazuzugewinnen.

Sport- und Gesundheitspsychologin Natascha Marakovits (mindrunna.at)
Kommentare