Ein Leben nach der Jugendhaft: Der Weg zurück
Erzählt Christoph W. (Name geändert, Anm.) von seiner Vergangenheit, wirkt vieles zunächst wie aus dem Leben eines durchschnittlichen Teenagers. Der heute 25-Jährige ist mit seiner Schwester bei seiner Mutter in einer Wohnung in Niederösterreich aufgewachsen. Zur Schule ging er in Mödling. Doch in einem Punkt unterscheidet sich der Lebenslauf von Christoph W.: Er saß im Gefängnis.
Angefangen hatte alles mit 16 Jahren, schildert der Niederösterreicher. Um die Familie über Wasser zu halten, jobbte seine Mutter in der Nacht. „Ich war arbeitslos. Mit einem Freund bin ich dann auf die Idee gekommen, dass wir uns das Geld recht einfach besorgen könnten. Wir sind in Lokale und Geschäfte eingebrochen.“
Viel habe bei den Einbrüchen nie herausgeschaut. Mit dem Geld seien sie feiern gegangen. „Das ist nicht lange gut gegangen. Wir sind aufgeflogen“, sagt der 25-Jährige. Im März 2018 wurde er wegen Einbruchdiebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. In seiner Probezeit ging W. aber wieder einbrechen. Die Folge: Von November 2020 bis Februar 2021 stand in seinem Lebenslauf Gefängnis.
"Hatte Angst"
„Die ersten Wochen in Haft sind schlimm gewesen. Ich habe mit einem anderen Häftling auf engstem Raum in einer Zelle gelebt, 23 Stunden pro Tag. Die eine Freistunde, in der man spazieren gehen kann, habe ich zuerst nicht genutzt, weil ich Angst vor den anderen Insassen hatte“, schildert er. Nach zwei Monaten wurde er in eine WG überstellt, nach acht weiteren Wochen kam er schließlich aus dem Gefängnis.
"Wichtige Maßnahme"
Seit vergangenem Jahr bekommt der 25-Jährige Bewährungshilfe. Christoph W. ist kein Einzelfall. In Österreich erhalten jährlich rund 15.000 Personen Bewährungshilfe, davon sind 60 Prozent unter 30 Jahre alt. „Unterstützung dieser Art ist eine wichtige Maßnahme, um Haftentlassene in die Gesellschaft zu integrieren“, betont Thomas Marecek, Sprecher vom Verein Neustart. Verhältnismäßig hoch sei die Rückfallquote bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen: „Rund ein Drittel der jungen Straftäter wird rückfällig.“ Eines überrascht: Obwohl die Rückfallquote bei Jugendlichen hoch ist, sitzen immer weniger junge Menschen hinter Gittern. Im Vorjahr waren 682 Jugendliche und junge Erwachsene in Haft oder im Maßnahmenvollzug. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der jungen Häftlinge sogar halbiert: 2017 befanden sich noch 1.377 unter 21-Jährige in Justizanstalten.
Wer verstehen will, wie es zu diesem Rückgang kam, fragt am besten bei Margitta Neuberger-Essenther nach, der Leiterin von Österreichs einzigem Jugendgefängnis, der Justizanstalt Gerasdorf. „Grund dafür waren die gesetzlichen Änderungen im Jugendgerichtsgesetz“, sagt Neuberger-Essenther.
2014 sorgte die Vergewaltigung eines 14-Jährigen in U-Haft für eine wichtige Neuerung: Familie, Freunde, der künftige Arbeitgeber sowie Bewährungshelfer arbeiten gemeinsam einen Plan für die Zukunft des Jugendlichen nach dessen Entlassung aus.
In Schule gehänselt
Auch Christoph W. musste nicht die gesamte Haft hinter Gittern verbringen, sondern bekam die Fußfessel. In der Berufsschule sei er dafür gehänselt worden. „Ich war halt der mit der Fußfessel“, sagt W. Auch seine Ex-Freundin ließ ihn spüren, was die Haft für sie bedeutete: „Wir haben einen Sohn, der ist zwei Jahre alt. Ich habe ihn erst ein Mal gesehen, obwohl ich Besuchsrecht habe“, sagt W. Dafür will er kämpfen.
Die Frage, ob er seine Entscheidung bereue, wischt er mit einer Handbewegung beiseite. Er wolle an die Zukunft denken. „Ich wünsche mir, dass mit 30 alles wieder normal ist. Bis dahin will ich den Führerschein gemacht und die Koch-Lehre abgeschlossen haben. Und später werde ich mein eigener Chef in meiner eigenen Bar.“ Der hoffentlich nächste Punkt im Lebenslauf von Christoph W.
Alter: Bei der Altersverteilung der Häftlinge im vergangenen Jahr zeigt sich klar, dass die 20-Jährigen mit 237 Insassen den größten Anteil ausmachen. 2021 waren nur ein 14-Jähriger und dreizehn 15-Jährige in Haft
Nationalität: Knapp die Hälfte der Häftlinge hatte im vergangenen Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft. Russen (7,9 Prozent), Afghanen (7,8 Prozent) und Serben (5,7 Prozent) waren die am stärksten vertretenen ausländischen Gruppen
Geschlecht: Mit sechs Prozent lag der Frauenanteil 2021 etwas über den Werten der vergangenen Jahre (zwischen vier und fünf Prozent)
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