Ein Leben lang Studieren: Es gibt viele Gründe für eine lange Studiendauer

Ein Leben lang Studieren: Es gibt viele Gründe für eine lange Studiendauer
Alter, Erwerbstätigkeit oder Schicksalsschläge mindern die Aktivität von Studierenden. Aber auch der österreichische Zugang zum Studium hängt damit zusammen.

Die Studienzeit ist die beste Zeit des Lebens, heißt es immer wieder. Bei manchen geht diese "beste Zeit" schnell vorbei, bei anderen dagegen dauert sie nahezu ewig und endet manchmal nie - zumindest nicht mit einem Abschluss.

Der Schlüssel für ein schnell absolviertes Studium liegt in der Zahl der absolvierten ECTS. Dabei handelt es sich um das Erfassungssystem für zu erbringende Leistungen. 180 ECTS müssen Studierende erbringen, um ein Studium abschließen zu können.

Erreichen Studierende mit ihren Leistungen 60 ECTS im Studienjahr, studieren sie in der Mindeststudienzeit von drei Jahren - also vergleichsweise schnell. Der Schwellenwert aber ist die 16-ECTS-Marke. Studierende, die in einem Studium mehr als 16 ECTS im Studienjahr absolvieren, studieren prüfungsaktiv. Studien, in denen weniger als 16 ECTS erbracht werden, sind prüfungsinaktiv.

Budget

Der Wert ist aber nicht rein ideel, sondern an dieser 16-ECTS-Marke wird die Budgetierung geknüpft. Laut Universitätsfinanzierungsverordnung werden in der Budgetsäule Lehre 96 Prozent der Mittel über prüfungsaktive Studien vergeben. Wer langsam studiert, verursacht nach dieser Rechnung also nur Kosten.

Die Gründe dafür, warum manche Studierende an österreichischen Hochschulen so langsam studieren, hat sich eine Studie im Auftrag der Österreichischen Universitätenkonferenz und des Bildungsministerium angesehen. Insgesamt 13 österreichische Universitäten wurden in Betracht gezogen. Der Fokus liegt auf Bachelor- und Diplomstudien. Also jene Studien, die die "Akademisierung der Gesellschaft vorantreiben sollen", sagt Oliver Vitouch, Uniko-Vizepräsident und Rektor der Uni Klagenfurt.

No-Show

Allein im Studienjahr 2019/2020 waren 48 Prozent der Studien prüfungsinaktiv und haben somit weniger als 16 ECTS erreicht. 33 Prozent davon haben keinen einzigen ECTS-Punkt erreicht und gelten somit als No-Show (nicht erschienen). Da ihr "Aktivierungspotenzial" aber zu gering sei, habe man sich auf diejenigen Studierenden konzentriert, die überhaupt am Erwerb von ECTS interessiert seien, sagt Bianca Thaler vom Institut für Höhere Studien (IHS).

Die nächste Europarecht-Prüfung findet Ende April statt

Ein Faktor für die Prüfungsinaktivität sei demnach zum Beispiel das Alter. Studierende über 30 würden deutlich länger für ihr Studium benötigen. Damit verbunden sei etwa auch die Erwerbstätigkeit, die die Prüfungsaktivität weiter senke. Eine geringfügige Beschäftigung dagegen habe keine negativen Auswirkungen auf die Aktivität, heißt es in der Studie. Familie, Krankheiten und "geplante Langsamkeit" seien ebenso Faktoren wie fehlende Motivation oder die Studienbedingungen.

Nebenstudium als österreichisches Unikum

Aber auch Mehrfachinskriptionen, also das Studieren mehrerer Studienfächer, vermindere die Aktivität. Vor allem im als Nebenstudium betriebenen Fach werden weniger ECTS erreicht. Dieses Konzept des "Nebenstudiums" sei in Österreich, im Gegensatz zu anderen Ländern, relativ häufig, sagt Thaler. Aufnahmeverfahren, etwa zu Studien mit begrenzten Studienplätzen, würden hingegen die Aktivität steigern.

Gründe, warum Studierende, die im gesamten Studienverlauf aktiv waren, plötzlich nicht mehr aktiv sind, sind dagegen meist eine letzte schwere Prüfung, die Abschlussarbeit oder Schicksalsschläge.

"Eierlegende Wollmilchsau"

Je nach Grund für die Inaktivität seien verschiedene Maßnahmen zur Aktivierung notwendig, sagt Thaler. Etwa die Unterstzung von erwerbstätigen Studierenden, Hilfe beim Studieneinstieg oder die Verbesserung von Studienbedingungen.

Je mehr prüfungsaktive Studenten, desto höher der Anteil am Budgetkuchen

Solange der Anspruch der Unis aber der einer "eierlegenden Wollmilchsau" sei, könne sich an dem bisherigen Konzept wenig ändern, sagt der Rektor der Uni Klagenfurt Oliver Vitouch. Das "ultraliberale universitäre Studienrecht" aus den 70er Jahren wolle "alles ermöglichen und nichts erzwingen. Zugleich werden die Unis daran gemessen und danach budgetiert, dass Studierende dem Idealbild "zügiges Studium, erfolgreicher Abschluss, Steueraufkommen als Akademikerinnen" entsprechen." Zu vergleichen sei das mit einem Ruder-Verein, in dem es sowohl um dem Breitensport als auch um den Leistungssport ginge. Nur Badegäste seien dort nicht erwünscht. "Ein bisschen Rudern muss schon jeder", sagt Vitouch.

Österreichische Studien-Kultur

Die Kultur des Zugangs zum Studium müsse sich demnach ändern. Das Kern des Problems sei nämlich, dass man in der österreichischen Tradition dazu tendiere, zu glauben, dass Studium, Erwerbstätigkeit und Familie unter einen Hut zu bekommen seien, sagt Vitouch. "In anderen Ländern ist das nicht der Fall, weil es dann schlicht zu teuer wird."

Änderungen dieser Studien-Kultur seien etwa durch die Reduktion von Mehrfachinskriptionen, die Mindeststudienleistung, die Anpassung der Studierbarkeit und veränderten Zulassungsbeschränkungen zu erreichen. "Wir sollten uns weniger auf die Matura als auf unsere eigenen Prüfungen verlassen", sagt Vitouch.

"Reinholen statt rausprüfen" ist auch das Motto von Elmar Pichl, dem Leiter der Hochschulsektion im Bildungsministerium. Bisher sei nämlich nur ein Drittel Studienangebots durch Zulassungsprüfungen beschränkt.

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