Am 6. Oktober 1890 veröffentlicht die Leopoldstädter Montagszeitung die Ergebnisse der Wiener Gemeinderatswahl. In Margareten, Neubau, Josefstadt, Alsergrund, Favoriten, Sechshaus und Hernals behaupten sich Kandidaten der Liste der Antisemiten. Darunter „Mechaniker, Hausbesitzer, Weinschänker (sic!)“ und der spätere Bürgermeister Karl Lueger.
Auch in Mariahilf setzt sich mit dem Jalousienfabrikanten Ferdinand Loquai der Antisemit gegen den liberalen Gegenkandidaten durch. Das Neue Wiener Tagblatt stellte die Bezirkschefs, darunter Loquai, vor: „Von diesen Neugewählten ist, was ihre bisherige öffentliche Thätigkeit betrifft, nicht viel zu sagen. [ ... ] Von Herrn Loquai erinnern wir uns einer einzigen Großthat, des Ausspruches nämlich: Daß die christlichen Kinder in den Schulen durch die jüdischen verdorben werden.“
Unweit von Loquais Fabrik erinnern heute ein Platz und ein Park an sein Wirken. Vielleicht nicht mehr lange. Die Wiener Historikerkommission hat seinen Namen schon länger auf der Liste jener, über die Diskussionsbedarf herrscht. Will man Straßen, Parks und Plätze nach mutmaßlichen Antisemiten benannt wissen? Das Wort „mutmaßlich“ kann man im Falle Loquai weglassen.
Die Grünen in Mariahilf haben nun einen Antrag auf Umbenennung zumindest des Parks gestellt. Und der Loquai-Platz solle mit erklärenden Zusatztafeln ausgestattet werden – ohne Verwaltungsaufwand für die Anrainer. Auch Bezirkschef Markus Rumelhart (SPÖ) steht dem Ansinnen positiv gegenüber: „Die Zusatztafel ist bereits in Vorbereitung. Was den Park betrifft, möchte ich als Bezirksvorsteher der laufenden politischen Diskussion nicht vorgreifen. Ich persönlich halte eine Umbenennung für eine gute Idee.“
Die jüngsten Erkenntnisse der Kommission, der derzeit die Historiker Peter Autengruber, Oliver Rathkolb, Lisa Rettl und Walter Sauer angehören, bieten reichlich Argumente. „Mariahilf war ein früher Brennpunkt des Antisemitismus“, sagt Historiker Autengruber im KURIER-Gespräch.
In Mariahilf habe es besonders viele kleine Gewerbetreibende und Handwerker gegeben, die unter dem Börsenkrach von 1873 gelitten hätten. In Folge sei die Opposition gegen die Liberalen gewachsen, die Antisemiten hätten von der Unzufriedenheit enorm profitiert.
Politischer Wendehals
Der Unternehmer Ferdinand Loquai, der in den Jahren 1878 bis 1889 dem Wiener Gemeinderat angehört, war nicht von Beginn an Antisemit. Sondern das, was man einen politischen Wendehals nennt.
Von den Liberalen wechselte er zu den Demokraten und ab 1889 zu den Antisemiten. Die liberale Montagszeitung spricht von Loquai als einem „politischen Chamäleon“.
Wer im Falle einer Umbenennung neuer Namensgeber sein könnte, ist offen. Die Günen und Historiker Autengruber plädieren dafür, mit der 2014 verstorbenen Erika Weinzierl eine Zeithistorikerin zu ehren.
Kommentare