Fall Ott: Warum es Putins Spionagering auch nach Wien zog

Fall Ott: Warum es Putins Spionagering auch nach Wien zog
Im Auftrag von Jan Marsalek sollen sechs Bulgaren Jagd auf Putin-Gegner gemacht und Botengänge erledigt haben. Auch in Österreich. Ausgewertete Chats zwischen dem Kopf der Spione und dem flüchtigen Marsalek dürften auch zur Verhaftung von Egisto Ott geführt haben.

Sie hatten die perfekte Tarnung: Ein normales Leben in Großbritannien.

Vanya G., als preisgekrönte Kosmetikerin im westlichen London mit ihrem Salon "Pretty Woman" - spezialisiert auf Kunstwimpern. 

Tihomir Ivanov I., offenbar ihr Lebensgefährte, ein Experte für Dekorationen.

Biser D. and Katrin I., die als Paar lebten, kann man sogar in Online-Videos bewundern, in denen sie Bulgaren Tipps geben, wie man am besten einen guten Englisch-Kurs findet. Vor einem Flip-Chart, mit voller Motivation.

Der Beiname von Ivan S. hätte noch am ehesten Misstrauen erzeugen können: Der 31-Jährige nannte sich "Der Zerstörer", eine Anspielung auf sein Hobby: Käfigkämpfe.

Und dann gab es noch: Orlin Roussev. 46 Jahre. Ein Typ aus der Finanzbranche, wie es die britische BBC beschreibt.

Bulgarische Agenten im Namen Putins

Heimische Ermittler würden Roussev wohl eher als Anführer jener fünf gebürtigen Bulgaren bezeichnen, die soeben namentlich aufgezählt wurden. Als Anführer einer bulgarischen Agenten-Truppe, die von England aus zumindest zwischen August 2020 und Februar 2023 aktiv gewesen sein soll. 

Ein russischer Spionagering, der Geheimnisse und Personen in ganz Europa im Auftrag von Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek ins Visier genommen haben sollen.

Alle sechs werden im Herbst dieses Jahres in London erneut vor Gericht stehen. Im sogenannten Old Bailey, dem berühmtesten Strafgerichtshof Großbritanniens. Wegen Spionageverdachts. 

Die Voranhörung gab es bereits, darum weiß man so viel über jene Personen, die sonst alles tun, um im Verborgenen zu bleiben.

Chats mit Marsalek

Roussev, ein Überwachungsexperte, ist auch jener Mann, der sich in Chats, die dem britischen Geheimdienst MI6 bereits im Februar 2023 in die Hände fielen, mit dem flüchtigen Wirecard-Manager Marsalek rege ausgetauscht haben soll. Die beiden sollen sich seit Jahren gekannt haben.

Die rund 80.000 sichergestellten Nachrichten, waren es letztlich auch, die zur Verhängung der U-Haft von Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott geführt haben.

Denn Roussevs Bulgaren - eine vermeintliche Kosmetikerin, spezialisiert auf Kunstwimpern, ein Paar mit Englisch-Sprachkursen, ein Käfigkämpfer mit dem Beinamen "Der Zerstörer" und ein Dekorationsexperte - sollen mehr als skrupellos gewesen sein. 

Wegen ihnen verließ der bis 2023 in Österreich lebende, russlandkritische Investigativjournalist Christo Grozev, nach 20 Jahren seine Wahlheimat. Weil er sich hier nicht mehr sicher fühlte. Die Agententruppe soll regelrecht Jagd auf ihn gemacht haben.

„Ich vermute, dass es in der Stadt mehr russische Agenten, Spitzel und Handlanger gibt als Polizisten“, sagte Grozev damals in einem Gespräch mit dem Falter.

Mordaufträge?

Hatten die Bulgaren gar Mordaufträge? Klar mit ja lässt sich dies nicht beantworten. Doch eine Recherche des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel deutet darauf hin. Darin heißt es, dass Marsalek die Truppe per Telegram-Nachrichten delegierte. Um "dem Kreml missliebige Personen auszuspähen, quer durch Europa zu verfolgen – und am Ende vermutlich zu kidnappen oder sogar zu beseitigen."

Dies hätte auch Grozev drohen können, der einst den Giftanschlag auf den mittlerweile verstorbenen Alexej Nawalny aufdeckte. Wo Grozev in Wien wohnte, wie er seinen Alltag gestaltet, das soll Egisto Ott im Auftrag Marsaleks, der alles aus Russland koordiniert hatte und an Roussev weitergeleitet haben soll, abgeklärt haben.

Von Floridsdorf zum FSB

Doch nicht nur dafür soll der Spionagering nach Wien gereist sein. Ein weiteres Ziel: Eine Wohnung in Floridsdorf im Besitz eines Verwandten von Ott. In der die Agenten die drei Originalhandys von drei hochrangigen Mitarbeitern des Innenministeriums in Empfang nahmen. Ebenso, wie einen Laptop mit einer speziellen Verschlüsselungssoftware, für streng geheime Informationen. Von Wien soll ihre "Beute" direkt in die Lubjanka, dem Sitz des russischen Inlandsgeheimdienst FSB gebracht worden sein.

Doch waren dies die einzigen Operationen der bulgarischen Agenten in Österreich? Wohl kaum.

Riesige Satellitenschüssel an Hausmauer

In England hingegen sollen die Mitglieder von Putins Spionagering vor ihrer Enttarnung als "unauffällig" gegolten haben. Wie Recherchen von Sky News zeigen, beschreiben Nachbarn der Angeklagten diese als völlig normal. 

Nur ein Umstand sei ihnen suspekt vorgekommen. Dass die Bulgaren an der Außenmauer ihres Hauses eine riesige Satellitenschüssel befestigt hatten. Die in die entgegengesetzte Richtung aller anderen Signalempfänger zeigte. 

Und die so groß war, dass den Nachbarn das gesamte Licht in ihrem Zuhause genommen wurde.

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