E-Scooter: Zunehmende Gefahr, andauerndes Ärgernis - und Chance
Es war nur die jüngste in einem steten Strom an Unfallmeldungen mit E-Scooter-Beteiligung, aber eine besonders tragische: Ein erst 13-jähriger Bub starb in der Nacht auf Dienstag im LKH Graz, nachdem er auf einer schmalen Landstraße mit dem Pkw einer 78-Jährigen kollidiert war.
Generell steigt die Zahl der Unfälle stark an: Mussten 2019 1.200 und 2020 1.300 Menschen nach Unfällen auf E-Scootern im Spital behandelt werden, verdoppelte sich die Zahl im vergangenen Jahr auf 2.800. Für Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) ist es darum „unbedingt notwendig, Maßnahmen zu setzen“.
Allem voran braucht es eine viel bessere Radinfrastruktur. Denn verkehrsrechtlich wurden E-Scooter 2019 Fahrrädern gleichgestellt (siehe Infobox unten) und teilen sich seitdem die Radwege mit ihnen.
Wie ein Fahrrad
Grundsätzlich unterliegen E-Scooter denselben Regeln wie Fahrräder. Darunter fallen etwa Radwegbenützungspflicht, Telefonierverbot und eine Alkoholgrenze von 0,8 Promille. Auch zu zweit darf auf einem E-Roller nicht gefahren werden.
Abstellen
Wo geparkt werden darf, ist je nach Ort unterschiedlich. Gibt es in Bregenz dezidierte Abstellzonen, darf in Wien etwa auch auf Gehsteigen geparkt werden – allerdings nur, wenn diese mindestens vier Meter breit sind. In der Hauptstadt ist außerdem festgeschrieben, in welchen Bezirken Leih-Scooter-Betreiber operieren dürfen.
25 Stundenkilometer
schnell dürfen die Roller maximal sein. Das KfV wünscht sich die Herabsetzung auf 20 km/h wie in Deutschland und der Schweiz.
Längerer Bremsweg
Doch: Es gibt zu wenige und vor allem zu wenige ausreichend dimensionierte. „Und das Problem entsteht, wo zu viele Verkehrsteilnehmer auf zu engem Raum aufeinanderprallen“, sagt Michael Schwendinger vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) – der Robatschs Forderung nach mehr und breiteren Radwegen und sicherer Kreuzungsgestaltung teilt.
Neben einem massiven Ausbau der Radinfrastruktur fordert das KfV eine verpflichtende zweite Bremse für E-Scooter. Aktuell ist – im Gegensatz zu Deutschland und auch zu Fahrrädern hierzulande – nur eine vorgeschrieben. Untersuchungen hätten ergeben, dass der Bremsweg der Roller dadurch deutlich länger sei, so Robatsch – ein weiterer Risikofaktor.
Helmpflicht gefordert
Und schließlich wünscht sich der Experte die Einführung einer Helmpflicht. Man habe es jetzt lange über Bewusstseinsbildung versucht, „das funktioniert aber nicht“. Während man am Rad notwendigerweise aktiv am Verkehr teilnimmt, „steht man am Scooter nur oben und gibt Gas“, sagt Robatsch – noch ein Risikofaktor.
Die Minimierung des Unfall- und Verletzungsrisikos ist jedoch nur eine der Baustellen. Vor allem die populären Leih-E-Scooter polarisieren. Und während man in Graz und Salzburg dankend ablehnte, führte Bregenz im Mai dieses Jahres ein solches System ein.
Eigene Parkflächen
150 Leih-Roller stehen seitdem am Bodensee zur Verfügung – vorerst als Pilotprojekt für ein Jahr. Im Unterschied zu Städten wie Wien setzt man im Ländle auf dezidierte Parkflächen, um einem weiteren Ärgernis zu entgehen: dem achtlosen Abstellen oder gar Ablegen der Roller, die in der Hauptstadt an gefühlt jeder Ecke zu Stolperfallen mutieren.
Blinde und Sehbehinderte beklagen gar regelmäßig Verletzungen, weil sie über die Gefährte stolpern. Zwar gibt es auch in Wien Parkvorschriften, eingehalten werden diese aber kaum.
Daran hat auch die Einführung spezieller „Scooter Sheriffs“ wenig geändert; sind diese doch nur an bestimmten Orten zu festgelegten Zeiten zugange. Die Flottenbetreiber sprechen sich darum für die Umwidmung von Kfz- in Scooter-Parkplätze aus – keine Forderung, mit der man sich im Rathaus Freunde macht.
Potenzial vorhanden
Eine weitere Frage ist schließlich jene nach der Sinnhaftigkeit der E-Scooter im Sinne des Klimaschutzes. Eine aktuelle Studie der ETH Zürich ergab, dass jede zweite Fahrt einen Fußweg ersetzt, aber nur etwas mehr als jede zehnte eine Autofahrt. „Aktuell schaden geteilte E-Scooter unterm Strich dem Klima“, sagte folglich Studienautor Daniel Reck der Zeit.
Dennoch: E-Scooter könnten eine sinnvolle Erweiterung des Verkehrssystems sein, wenn sie, etwa an Öffi-Knotenpunkten, entsprechend integriert werden. Besonders am Stadtrand oder im ländlichen Raum könnten sie dann das Auto für die erste bzw. letzte Meile am Weg vom bzw. zum Bahnhof ersetzen, sagt VCÖ-Experte Schwendinger.
In Wien wurde ein entsprechender Vorstoß im Außenbezirk Liesing jedoch im Frühling von der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) abgeschmettert. Die Neos wollten in einem Pilotprojekt Scooter im Bezirk platzieren. Die anderen Bezirksparteien waren auf ihrer Seite – Sima nicht.
Kommentare