Immer mehr Arbeitslose verweigern Job-Angebote
„Oma gestorben“ oder „der Anfahrtsweg ist zu lang“. Auch wegen Ausreden wie diesen sperrte das Arbeitsmarktservice ( AMS) im Vorjahr das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe. Insgesamt 111.451-mal traf das ein. In der Hälfte der Fälle waren die Arbeitslosen nicht zum Kontrolltermin erschienen. Im Steigen befindet sich aber auch die Zahl der Fälle, in denen ein neuer Job oder eine Schulung verweigert werden – 19.247-mal war das im Vorjahr der Fall. Einige Betroffene wollten sich das nicht gefallen lassen – und gingen zum Bundesverwaltungsgericht.
So etwa ein Wiener, der den Anspruch auf Notstandshilfe verlor. Der gelernte Tischler beantragte erstmals 1994 Arbeitslosengeld. Seither bezieht er immer wieder – mit kurzen Unterbrechungen – die Sozialleistung. Im Vorjahr wurden dem Mann 94 Vermittlungsvorschläge gemacht. Keiner führte zu einem Job. Zuletzt sollte er als Katalogausteiler arbeiten. Das lehnte der Mann aus gesundheitlichen Gründen aber ab – ein Arbeitsmediziner sah das in einem Gutachten allerdings ganz anders.
Führerschein weg
Einem Mann aus dem niederösterreichischen Weinviertel wiederum war die Wegzeit zum Arbeitsplatz zu lang. Das AMS vermittelte ihm eine Vollzeit-Stelle als Saisonhilfsarbeiter, bei der er fast 1800 Euro brutto verdienen sollte. Die Distanz zum Arbeitsplatz: 3,32 Kilometer. Unzumutbar, meinte der Mann. Er würde eine Stunde und 27 Minuten zum Arbeitsplatz benötigen. Als Beweis legte er Busfahrpläne vor. Er habe zwar ein Auto, könne dieses aber nicht benutzen – ihm war vorübergehend der Führerschein abgenommen worden. Egal, urteilte das Gericht. Zu Fuß würde er den Weg zur Arbeit in 40 Minuten schaffen. Die Notstandshilfe wurde ihm für sechs Wochen gestrichen.
Eine Frau aus dem nö. Mostviertel wiederum suchte einen Bürojob. Das AMS hatte gute Nachrichten: Eine Stelle als Sekretärin war frei, sie sollte ihre Bewerbungsunterlagen schicken. Das tat sie auch. Die Firma lud per eMail zum persönlichen Gespräch. Doch das übersah sie. Ein zweites Mail, in dem die Frau aufgefordert wurde, wegen eines neuen Termins anzurufen, „vergaß“ sie. Ihre Großmutter sei gestorben, rechtfertigte die Frau. Das habe sie sehr mitgenommen, sie habe dadurch ein paar Dinge vergessen. Ein teurer Fehler. Sie verlor dadurch für mehrere Wochen den Anspruch auf das Arbeitslosengeld.
Ein weiterer Niederösterreicher ohne Ausbildung und Auto sollte sich mit einer Produktionsfirma in Kontakt setzen – die suchte Mitarbeiter für den Schichtdienst, Interessenten sollten sich ausdrücklich telefonisch melden. Zwar schickte der Mann seine Bewerbungsunterlagen, war dann aber nicht mehr erreichbar. Mehrmals versuchte die Firma, den Mann anzurufen. Ohne Erfolg. Die Notstandshilfe war damit weg.
Verdienst zu gering
Ein Tiroler verweigerte die Bewerbung bei einer Tankstelle, weil diese zu wenig zahlte. Der Betreiber suchte einen Mitarbeiter für täglich drei Stunden. Die Entlohnung: 565 Euro monatlich. Das ist zu wenig, meinte der Mann. Erst solle man ihm zeigen, wie man mit so wenig Geld im Monat leben könne. Außerdem hätte er keine Zeit – er müsse die Besuchszeiten bei seiner Tochter einhalten. Das Gericht konnte die Beschwerde nicht nachvollziehen: Die 565 Euro seien immerhin über der Geringfügigkeitsgrenze. Bei der Tochter bestünden zudem keine Betreuungspflichten.
Eine Vorarlbergerin wiederum verweigerte einen Job bei einer Hilfseinrichtung. Sie hätte die Stelle als Verkäuferin über das Förderprogramm 50+ bekommen. Das gefiel ihr nicht. Zum einen wollte sie nicht im Verkauf arbeiten. Zum anderen werde man dort mit Knebelverträgen genötigt, sie bezeichnete den Job gar als „Zwangsarbeit“. In einer schriftlichen Stellungnahme erklärte sie: Sie habe die Unterzeichnung des Dienstvertrages nicht verweigert, sondern lediglich mit einer kompetenten Person sprechen wollen. Dies sei ihr verweigert worden.
Außerdem sei die Bezahlung sittenwidrig. Würde sie einen Job aus dem Förderprogramm 50+ annehmen, würde sie im normalen Arbeitsleben keinen mehr bekommen. Die Notstandshilfe wurde gestrichen.
Umgekehrt wiederum kämpfen Bezieher von Notstandshilfe um Nachzahlungen. In den vergangenen drei Jahren war in 150.000 Fällen zu wenig Notstandshilfe ausbezahlt worden. Die Rückforderung birgt bürokratische Hürden, kritisiert die Arbeiterkammer.
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