Die Salzburger stärken die politischen Ränder
Zuversicht“ steht in großen Lettern auf dem Plakat, das in der ÖVP-Zentrale affichiert ist, daneben das Konterfei von Parteichef und Landeshauptmann Wilfried Haslauer.
Hinter den Türen war die „Zuversicht“, um die sich die ÖVP im Wahlkampf bis zuletzt bemüht hat, da jedoch längst dem Entsetzen gewichen.
Eines steht am Wahlabend schon nach der ersten Hochrechnung fest: Das Experiment einer Dirndl-Koalition, die ÖVP-Landeschef Wilfried Haslauer mit Grünen und Neos 2018 geschmiedet hat, ist gescheitert. Der Wahltag hat die politische Landschaft in Salzburg durcheinandergewirbelt.
Die Sieger sind an den politischen Rändern ganz links und rechts zu finden, während die Regierenden abgestraft wurden.
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Zweckoptimismus
Haslauer selbst übt sich bei seinem ersten Auftritt in Zweckoptimismus: „Wir sehen den Trend“, sagt er, „aber wir haben unser Wahlziel, Nummer eins zu werden, erreicht.“ Geschafft hat sie das mit 30,4 Prozent und einem Minus von 7,4 Prozentpunkten. Der Verlust sei schmerzhaft, aber „das Ergebnis ist, wie es ist“, sagt Haslauer.
Eine Personaldebatte will bei der ÖVP an diesem Abend dennoch niemand beginnen. Vielmehr sei Haslauer der Grund, „warum wir nicht noch schlechter abgeschnitten haben“, ist von Funktionären zu hören. Jetzt gehe es darum, einen neuen Koalitionspakt zu schnüren.
Teil der neuen Koalition will jedenfalls die FPÖ sein, die in ihrer Parteizentrale bereits vor der ersten Hochrechnung einen Stapel an Taferln zurechtgelegt hat. Wenige Minuten später wird man sie in die Kameras halten. „Danke“ ist darauf zu lesen. Und vor allem: „Marlene“.
Tatsächlich wird das Plus der Freiheitlichen, die mit 25,9 Prozent der Stimmen (plus 7,1 Prozentpunkte) das beste Ergebnis ihrer Geschichte einfuhren, zu einem Gutteil der Spitzenkandidatin zugeschrieben. Erstmals liegt man in Salzburg auf dem zweiten Platz.
Themen und Tonalität
Marlene Svazek, 30 Jahre alt und einzige blaue Landesparteichefin, habe den perfekten Wahlkampf hingelegt, darüber sind sich die Funktionäre an diesem Abend einig: die richtigen Themen, das richtige Tempo und – vor allem – die richtige Tonalität. Man habe sich gemäßigt gezeigt, auf Untergriffe verzichtet.
Und so blieben die Blauen auch am Wahlabend fast vornehm: Als das Minus der ÖVP über den TV-Schirm flimmert, hört man nur ein Raunen, auch das mittelmäßige Abschneiden der SPÖ entlockt nur manchen ein schadenfrohes Grinsen.
Man habe „alle Wahlziele übertroffen“ und sei nun von „Freude, Ergriffenheit und Demut“ erfüllt, sagt der blaue Landesparteisekretär Andreas Schöppl. Der Auftrag der Salzburger sei aber klar: Die FPÖ solle Verantwortung in der Regierung übernehmen. Seine Parteichefin wird das wenig später bekräftigen: Sie warnt Haslauer davor, eine „Koalition der Verlierer“ zu bilden.
Grün-pinke Verluste
Dazu zählen jedenfalls die beiden kleinen Koalitionspartner: Die Grünen kommen auf 8,0 Prozent (ein Minus von 1,4 Prozentpunkten), die Neos wiederum fliegen mit 4,1 Prozent (minus 3,2 Prozentpunkte) aus dem Landtag.
Bei der grünen Wahlparty ist der Zustrom an Unterstützern für Spitzenkandidatin Martina Berthold dementsprechend spärlich. (Darüber kann auch der hohe Besuch aus Wien – Justizministerin Alma Zadic ist angereist – nicht hinwegtäuschen.)
Einige Tische in der hippen Bar, in der sich die Partei versammelt hat, bleiben leer, die Stimmung ist gedämpft. Warum so wenige hier seien, will ein junger Funktionär wissen. „Weil niemand bei den Verlierern sein will“, antwortet eine Parteikollegin trocken. Eine treffende Analyse.
Rausgeflogen
Noch klarere Worte findet an diesem Abend so mancher Neos-Funktionär: „Das muss man auch erst einmal zusammenbringen, dass man von der Regierung in die außerparlamentarische Position rutscht“ sagt Lukas Rösslhuber, Neos-Chef im Gemeinderat der Stadt Salzburg. Es sei innerhalb der vergangenen Jahre nicht gelungen, „die Wähler anzusprechen“.
Bei den Parteikollegen herrscht Kopfschütteln, auch die eine oder andere Träne ist zu sehen. Zum Opfer gefallen sei man – als Partei der Mitte – auch der Polarisierung: Es sei nicht gelungen, „einfache Antworten auf die Sorgen der Menschen zu geben“, analysieren pinke Funktionäre. Fazit: „Wir müssen uns komplett neu aufstellen“, sagt Rösslhuber. Nachsatz: „Aber das sind wir eh schon gewohnt.“
Eine Neuaufstellung der anderen Art hat wohl auch den roten Wahlkampf beeinflusst: Spitzenkandidat David Egger musste vor dem Hintergrund der Führungsdebatte in der Bundes-SPÖ in die Wahl gehen. Die wenigen Funktionäre, die mit „David Egger“-Schildern am Wahlabend zur roten Zusammenkunft kamen, klatschen dann auch eher pflichtschuldig als euphorisch.
Der Bund spielte mit
Das Wahlziel, den „2er“ zu halten, hat man schließlich nicht erreicht. Die SPÖ landet bei 17,9 Prozent – ein Minus von 2,2 Prozentpunkten. Ein historisches Tief. Applaus gibt es zumindest bei der Botschaft, dass sich eine Regierungskoalition mit der ÖVP ausgehen würde: Dass man gerne regieren würde, bekräftigen sowohl Spitzenkandidat David Egger als auch Landtagsklubvorsitzender Michael Wanner.
In der Beurteilung, wie die innerparteilichen Streitereien im Bund das Wahlergebnis beeinflusst haben, gaben sich beide zurückhaltend. „Über Dinge, die ich nicht ändern kann, rege ich mich nicht auf. Ich wundere mich nur, wie holprig uns der Wahlkampf gemacht wurde“, sagte Wanner,
Nachsatz: „Und holprig ist noch nett ausgedrückt.“ Von den dreien, die um den Bundesparteivorsitz rittern – also Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler – hatte sich für den Wahlabend keiner angesagt. Besonders gedankt hätte man ihnen die Anwesenheit wohl ohnehin nicht.
Linker Protest
Für die Stimmenverluste bei SPÖ und – vor allem – Grünen machen am Wahlabend viele Funktionäre übrigens den großen Überraschungssieger der Landtagswahl verantwortlich: „Wieso ist der damals eigentlich von den Grünen weg’gangen? Genau so einen bräuchten wir“, sagt etwa ein grüner Funktionär.
Wen er meint? KPÖ-Chef Kay-Michael Dankl, der mit seiner Partei neu in den Landtag einzieht und damit neben der FPÖ zu den großen Wahlgewinnern zählt. Dass den Kommunisten die Rückkehr auf das politische Parkett gelingen wird, galt unter politischen Beobachtern schon im Vorfeld als beinahe sicher. Überraschend war, wie hoch die Zustimmung ausfiel: Die KPÖ kommt auf 11,7 Prozent der Wählerstimmen. Das ist ein Plus von 11,3 Prozentpunkten, der größte Zugewinn unter allen Parteien.
Viele einstige Nichtwähler hätten bei den Kommunisten ihr Kreuzerl gemacht, lautet die erste Analyse am Wahlabend. Aber auch viele aus dem linken Lager, die von Grünen und SPÖ enttäuscht seien. Protest kann auch links sein. Man sei im Wahlkampf „nahe an den Menschen gewesen“, heißt es bei der KPÖ. Zumindest in dieser Einschätzung trifft man sich mit der FPÖ.
Aufeinandertreffen wird man auch im Landtag, dem man erstmals seit 1949 wieder angehört: Und zwar mit gleich vier Mandataren. Die ÖVP hat zwölf Sitze, die FPÖ zehn, die SPÖ sieben, die Grünen stellen drei Mandatare.
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