Die "Leib-Victoria": Kaiserlicher Sensationsfund mit zwei PS
So kannte man Kaiser Franz Joseph: In seiner Kutsche, in der er ohne Verdeck durch Wien fuhr und dem Volk ganz nahekam. Die „Leib-Victoria“ war sozusagen der Dienstwagen des Monarchen, galt aber jahrzehntelang als verschollen.
Weil es sich bei der Kutsche nämlich nicht um ein prunkvolles Gefährt für besondere Anlässe handelte, kam man 1922 gar nicht erst auf die Idee, die Kutsche als Ausstellungsstück für die Nachwelt zu bewahren. „Von diesen Kutschen gab es insgesamt 70 Stück, die einfach verkauft wurden. In diesem Fall über das Landwirtschaftsministerium an das Gestüt Stadl-Paura in Oberösterreich. Dort wurden sie jahrzehntelang zum Einfahren junger Pferde genutzt“, erklärt Dr. Monica Kurzel-Runtscheiner, Direktorin der Wagenburg in Schönbrunn, in der die „Leib-Victoria“ seit Donnerstag zu sehen ist.
Langer Weg
Entdeckt wurde das Stück schon in den 1990er-Jahren. Damals gab es eine Privatisierungswelle, die auch vor dem Gestüt Stadl-Paura nicht Halt machte. Zum Inventar gehörten auch 20 Kutschen.
„Die Wagenburg wurde kontaktiert und gefragt, ob man sich dafür interessiere, und bei Untersuchungen wurden dann Kronen auf den Polstern gefunden – ein Indiz dafür, das es sich um Hoffahrzeuge handelt“, erklärt Kurzel-Runtscheiner. Sie selbst konnte als junge Kuratorin schließlich nachweisen, dass die Kutschen Teil der Schönbrunner Sammlung sind. Als klar geworden ist, dass es sich um eine Kutsche des Kaisers handelt, wollten die Besitzer sie aber dann doch nicht so einfach hergeben. Mit solch besonderen Kutschen können im Ausland bei Sammlern horrende Preise erzielt werden.
Mühsame Kleinstarbeit
Das Landwirtschaftsministerium übergab die „Leib-Victoria“ aber schließlich doch der Wagenburg, es handelt sich um Bundesbesitz. Dort begann dann erst die Arbeit: „Das waren Ruinen. Die Kutschen wurden fast 100 Jahre lang benutzt, unzählige Male neu lackiert, alle Eisenteile waren rostig“, sagt die Direktorin.
Dementsprechend hoch war auch der Aufwand, den die Restauration in Anspruch nahm. 20 Jahre dauerte es, das Budget dafür aufzustellen. Danach arbeiteten sechs Restaurateure, zweieinhalb Jahre lang an der „Leib-Victoria“ um das Stück wieder in den Originalzustand zu bringen.
„Die neuen Lackschichten wurden in mühsamer Kleinstarbeit mit Wattestäbchen Schicht für Schicht abgetragen“, sagt Kurzel-Runtscheiner.
Prunkvolle Funde
Der Aufwand hat sich definitiv gelohnt. Unter dem neuen Lack kamen nämlich Echtgoldverzierungen zum Vorschein, die fast perfekt erhalten waren. Die Qualität der Kutsche ist also offenbar eines Kaisers würdig. Das Gefährt stand über 100 Jahre lang in Betrieb.
Gefertigt wurde die „Leib-Victoria“ ursprünglich in Ungarn, das damals noch Teil der k.&k.-Monarchie war. Sogar die Rechnung von Wagenfabrikant Kölber konnte gefunden werden. Billig war die Kutsche nicht: „Sie kostete 1.000 Gulden, das war damals sehr viel Geld und ist heute eher mit dem Preis eines Privatflugzeuges zu vergleichen als mit dem eines Autos“, sagt die Direktorin. Die Ausstellung „Victoria!“ ist noch bis 4. Mai 2025 in der Wagenburg zu sehen.
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