Die Berge bröckeln: Wenn riesige Felsen auf der Straße landen
Und plötzlich kracht von oben ein riesiger Gesteinsbrocken auf der Bundesstraße im Salzburger Lammertal (Tennengau) auf die Motorhaube des eben vorbeifahrenden Autos herab – ein 49-jähriger Lenker konnte nicht mehr ausweichen. Er und seine Beifahrerin (47) wurden bei dem Unfall verletzt, nur durch großes Glück ist nicht mehr passiert.
Der Unfall ist das Ergebnis eines Felssturzes, der sich in der Nacht auf Montag am Voglauberg ereignet hat. Der rund acht Tonnen schwere Brocken hatte eine Steinschutzanlage durchbrochen und war auf das Fahrzeug gestürzt.
Auch in Tirol kam es am Montag zu einem Felssturz. Ein Linienbus wurde auf der Reschenstraße (B 180) von einem 20 bis 30 Zentimert großem Stein getroffen. Verletzt wurde niemand. Die Straße wurde gesperrt
Keine akute Gefahr mehr
Der Salzburger Landesgeologe Ludwig Fegerl hat sich ein Bild von der Situation gemacht: „Derzeit besteht keine akute Gefahr mehr, aber ein zukünftiger Abbruch kann nicht ausgeschlossen werden. Daher wird über zusätzliche Schutzmaßnahmen, in Absprache mit dem Grundeigentümer, beraten.“
Es ist der dritte größere Felssturz in Salzburg in kurzer Zeit, im Dezember ist es überdies zu starken Muren gekommen. Das Ereignis am Sonntag ist auf die natürliche Verwitterung zurückzuführen: „Der Untergrund wird über Jahre hinweg durchweicht und schwindet, irgendwann bricht das steife, harte Gestein darüber ab.“
Das sei hier passiert. Was Fegerl schon betont: „Derzeit ist sehr viel Feuchtigkeit in den Böden.“ Das sei einerseits auf die fehlende schützende Schneedecke zurückzuführen, und zudem sei zuvor viel Schnee gemeinsam mit Regen in den Boden gesickert: „Der Untergrund ist übersättigt.“
Was er auch mit Sicherheit sagen kann: Dass der Klimawandel Auswirkungen auf Muren und Felsstürze hat: „Im Zuge von Starkregenereignissen wird es häufiger zu derartigen Felsstürzen und Muren kommen.“ Voraussagen würden sich solche Ereignisse aber nie lassen: „Dazu gibt es zu viele Voraussetzungen und Möglichkeiten, die das auslösen können.“
Das sieht auch Andreas Kellerer-Pirklbauer so, der am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz die durch globale Änderungen bedingten Auswirkungen aufs heimische Gebirge erforscht: „Es ist nicht so einfach zu modellieren, wo was runterkommt. Und man kann nicht überall in die Alpen Sensoren zur Überwachung pflastern.“
Tauender Kleber
Kellerer-Pirklbauer ist Co-Autor des alljährlichen Gletscherberichts des Alpenvereins, der sich für das Jahr 2023 gerade in der finalen Phase befindet. Er untersucht aber nicht nur den Schwund der Gletscher, sondern auch das parallel einhergehende Auftauen des Permafrosts. Das Schwinden dieses Kitts der Berge gilt im Hochgebirge als möglicher Auslöser für ganze Bergstürze – so etwa am Fluchthorn im Tiroler Galtür im Vorjahr.
„Man braucht für solche Fälle aber nicht überall den Permafrost“, stellt der Wissenschafter klar. Denn auch in niedrigeren Lagen, in denen dieser kein Thema ist, begünstigt der klimatische Wandel Felsstürze und ähnliche Ereignisse. So kann es etwa sein, dass „man in der eigentlich kalten Jahreszeit recht viel Wasser im Gebirge hat“. Und sich in der Folge Hänge destabilisieren können.
Natürlicher Prozess
Dass Berge bröckeln, ist aber an sich nichts Ungewöhnliches. „Die haben halt einmal das Bedürfnis, kleiner zu werden – das ist die Erosion“, sagt der Forscher trocken. „Und wenn unterhalb Infrastruktur ist, dann wird ein natürlicher Prozess zu einer Naturgefahr.“ Auch in Tirol gab es in den vergangenen Jahren regelmäßig Einschläge von riesigen Steinen auf Straßen. Zwei Menschen starben 2017 und 2019, als ihre Autos von herabstürzenden Felsbrocken regelrecht zermalmt wurden.
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