Nach Bergsturz in Tirol: Warum Berge zu bröckeln beginnen
Galtür. Der Name ist untrennbar mit dem Lawinenunglück von 1999 mit 38 Toten verbunden. Der Felssturz vom Sonntag, der den Gipfel des Fluchthorns im Silvrettamassiv samt Gipfelkreuz ins Tal donnern ließ, weckt sofort Erinnerungen.
Dieser Bergsturz ging glimpflich aus. Obwohl der Berg um Punkt 15.05 Uhr rund 100 Meter seiner Höhe verloren haben dürfte und etwa 100.000 Kubikmeter Gestein ins Tag gedonnert sind, „wahrscheinlich mehr“, wie der Tiroler Landesgeologe Thomas Figl sagt.
Er hat sich am Montag einen ersten Überblick verschafft und das Absturzgebiet mit einem Hubschrauber überflogen. Der Landesgeologe lässt keinen Zweifel am Grund dieses einschneidenden Naturereignisses: „Wir haben die Ursache relativ klar im aufgehenden Permafrost festmachen können. Man hat im Zuge der Befliegung gesehen, dass das Eis noch in der Felswand vorhanden ist.“
Die nächsten Untersuchungen sind schon in die Wege geleitet.
Permafrost, erklärt der Experte, ist das Eis, das im Felsen vorhanden ist: „Das schmilzt jetzt im Zuge der Klimaerwärmung. Das sorgt dafür, dass die Berge bröckeln. Das Eis ist der Klebstoff der Berger, dieser geht langsam verloren, deshalb wird es jetzt öfters solche Ereignisse wie am Sonntag in Galtür geben.“
Weitere Felsstürze
Der Geologe rechnet in der Region mit Nachbrüchen und weiteren Felsstürzen. Der Bereich wurde großräumig abgesperrt, Wanderwege sind in dem Bereich derzeit nicht geöffnet. Das bestätigt auch Bürgermeister Hermann Huber (ÖVP), aber für Galtür habe nie eine Gefahr bestanden: „Wir sind gut 15 Kilometer von der Abbruchstelle entfernt.“
Dass keine Personen zu Schaden gekommen sind, ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass die in der Nähe der Absturzstelle liegende Jamtalhütte noch nicht geöffnet war. Denn an sich ist der Bereich um das Fluchthorn eine durchaus populäre Bergsteiger-Region.
Wobei Bürgermeister Huber betont: „Insgesamt ist nur ein sehr kleiner Bereich der Silvretta gesperrt, es gibt noch genügend 3.000 er, die man besteigen kann.“
Für Thomas Wanner vom Bergsport des Österreichischen Alpenvereins, ist klar, dass dieses „Ereignis“, also der Absturz des Fluchthorns, auf die Klimakrise zurückzuführen ist. Für den Bersteiger-Sport wird das zunehmend eine Bedrohung, weiß der erfahrene Bergführer: „Der Steinschlag nimmt zu, die Gefahren nehmen zu.“
Etwa vorerst durch vermehrte Stürze in Gletscherspalten, wenn die Schneedecke darüber dünner wird. Er rechnet auch damit, dass die Bergsteigersaison sich nach vorne verlegen wird: „Statt Juli und August werden wir im Juni und Juli gehen müssen.“
Massive Veränderung
Die Veränderungen in den Bergen hat er in den vergangenen Jahren massiv miterlebt: „Es gibt Touren etwa im Stubaital, die gehen erfahrene Bergsteiger gar nicht mehr.“
Bergsteigern empfiehlt er vor allem eines: sich möglichst genau auf Bergtouren vorbereiten. Denn eines ist für ihn klar: „Felsstürze und Gletscherbrüche werden häufiger vorkommen.“ Aber die größere Gefahr gehe von Steinschlag aus: „Davon sind wir Bergsteiger massiv betroffen, das macht auch der Bergrettung zu schaffen.“
Dem kann Gebirgs- und Gletscherforscher Kay Helfricht von der Universität Innsbruck nur beipflichten. Er betont zwar, dass die Klimakrise nicht der einzige Auslöser für Felsstürze in diesem Ausmaß sei – dazu bedürfe es jedenfalls auch geologischer Voraussetzungen wie entsprechende Spalten in den Gesteinsmassen.
Aber klar ist: „Durch den Rückgang des Permafrosts in Hochlagen und die Veränderungen bei den Gletschern wird das öfter vorkommen.“
Es gebe zwar Modellierungen, wo Permafrostbereiche liegen, genau voraussagen könne man derartige Ereignisse nie. Eines ist für den Gebirgsforscher aber klar: Auch der verstärkte Rückzug der Gletscher führt vor allem in den Randbereichen der Gletscher dazu, dass gerade in diesen Bereichen die Berge instabiler werden. Und deshalb leichter in Bewegung geraten können.
Dass hohe Lagen in den Berger jetzt leichter erreichbar seien und sich deshalb mehr Menschen in den gefährdeten Regionen aufhalten, könnte leicht zu Unfällen führen, bei denen Menschen zu Schaden kommen. Oder sterben.
Ganz in der Nähe dieses Felssturzes ist übrigens der Piz Buin. Auf der Schweizer Seite des Berges liegt die Tuoi-Hütte. Diese ist gesperrt, weil „sich der Berg dort bewegt“, weiß Helfricht.
Ein Schicksal, das der Jamtalhütte unterhalb des Fluchthorns zumindest noch erspart bleibt. Bürgermeister Huber sagt, dass die Hütte nächste Woche wie geplant aufsperren kann.
Kommentare