Die Angst vor dem Zaun um die Alm

Wandern ist Hoch im Kurs
Nach „Kuh-Urteil“: Tourismus befürchtet Folgen für Urlauber und Ausflügler, wenn Landwirte ihren Besitz sperren.

Das Tiroler „Kuh-Urteil“ alarmiert nicht nur die Landwirte, sondern auch jene Menschen, die vom Tourismus leben: Aus Sorge über Haftungen könnten Almbauern Wege sperren oder das Betreten untersagen.

Das wäre für Österreichs Tourismus ein Schreckensszenario. Denn Wandern ist die beliebteste Aktivität in der Sommersaison: Laut Österreich Tourismus unternehmen 65 Prozent der Urlauber zumindest einmal eine Wanderung. 45 Prozent geben an, explizit einen „Wander-/Bergsteig-Urlaub“ zu machen.

Entsprechend besorgt sind die Reaktionen. „Die Betroffenen werden Konsequenzen ziehen“, befürchtet Wolfgang Kuttnig von der Wirtschaftskammer Kärnten. „Sie werden das Erlebnis Natur für die Gäste einschränken, wo es geht.“

Damit wären die Landwirte im Recht: Freies Wegerecht gelte für Wälder, aber nicht für Weiden. „Viele Wanderziele wären nicht mehr erreichbar, viele Bergtouren nicht mehr möglich“, betont Kuttnig. In Niederösterreich befürchtet Vize-Landeshauptmann Stefan Pernkopf enorme Kosten für die 11.000 Almbauern. „Setzt sich durch, dass Almen eingezäunt werden müssen, würde das die Almwirtschaft ruinieren.“ Die von Ausflüglern geschätzte Landschaft ebenso. „Ohne Bewirtschaftung würden die Almen zuwachsen.“

 

Urteil nach Kuhattacke: Gefahr für Almen

 

In der Steiermark sind die Vorahnungen ähnlich düster. 3700 Almbauern treiben ihr Vieh auf Weiden. Da sich viele Zäune nicht leisten könnten, werde die Diskussion wohl „in Richtung Sperren“ gehen, warnt Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher. Das treffe dann nicht nur die Wanderer, sondern auch Radfahrer, erinnert man im Tourismusverband „Naturpark Almenland“: „Es wird auf der Alm nur noch Stacheldraht geben, keine Mountainbike-Strecken, keine Wanderwege“, sorgt sich Geschäftsführerin Christine Pollhammer.

Eine Frage der Haftung

Andreas Ermacora, Präsident des Alpenvereins, sieht mehrere Probleme: „Es könnte bedeuten, dass auch der Alpenverein dazu verpflichtet wird, Wege einzuzäunen“. Denn der Verein sei für die Sicherheit auf den von ihm betreuten 26.000 Kilometern Wegen haftbar. Mit Almsperren wäre zudem der Grundsatz der freien Betretbarkeit von Ödland infrage gestellt, sorgt sich der Jurist. „Der ist in mehreren Bundesländern sogar gesetzlich geregelt, in Tirol gilt er gemäß Gewohnheitsrechts.“

Almen für Wanderer zu sperren, könnte aber auch für die Landwirte schwierig sein. Die Almen selbst werden oft auch von öffentlichen Wegen durchschnitten. Auch im konkreten Anlassfall passierte die tödliche Attacke auf einer geschotterten Gemeindestraße. Die Bauern haben zudem, wenn sie auf Almen Gäste bewirten, selbst ein Interesse, dass diese ungehindert ihren Weg zu den Betrieben finden. Das gilt auch für den Alpenverein und die von ihm betriebenen Hütten.

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