Nur wenige Tage später stand der freundliche Herr ohne Voranmeldung wieder vor der Tür des Seniors. Er habe noch ein Buch. Natürlich wieder exklusiv für ihn. Diesmal ging es um „Das Reichenauer Perikopenbuch“. Herr S. griff noch einmal tief in seine Tasche. Für den Nachdruck des Werks, das einst für den deutschen Kaiser Heinrich II. geschaffen wurde, überwies Herr. S. gar 13.440 Euro.
Doch Herr S. bekam recht schnell Bauchweh wegen der getätigten Haustürgeschäfte. Anfang Dezember wollte er seine Buchkäufe rückgängig machen und kontaktierte die Firma, für die der Verkäufer arbeitet – es handelt sich um ein Unternehmen mit Sitz in Bayern. Er erklärte in einem Schreiben, dass er von beiden Verträgen zurücktreten wolle. Zudem vermerkte Herr S.: „Keinen (sic!) Kontakt mehr erwünscht“. Gleichzeitig schickte er die Bücher zurück.
Doch der Wunsch des Pensionisten blieb ungehört. Wenige Tage später stand der Buchverkäufer erneut vor seiner Tür. Zwei Stunden lang, so schildert es Herr S., habe er versucht, den ungebetenen Gast wieder loszuwerden. Ohne Erfolg. Erst, als er ein Formular unterschrieb, mit dem der Vertragsrücktritt unwirksam wurde, war er den Gast wieder los. „Mein Mandant hat sich zu dem Zeitpunkt nicht anders zu helfen gewusst, damit der lästige Mitarbeiter die Wohnung endlich verlässt“, sagt Anwalt Burger.
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Weitere Versuche, die Buchkäufe rückgängig zu machen, scheiterten. Also wählte Anwalt Burger einen fast literarischen Weg: „Die britische Autorin Jeanette Winterson soll einmal gesagt haben: ,Ein Buch ist ein Zauberteppich, der dich woanders hinfliegt’ – In diesem Fall in den Gerichtssaal.“ Verhandelt wird am 23. Oktober im Bezirksgericht Neusiedl/See.
Die Masche ist nicht neu. Vier bis fünf Betroffene suchen pro Monat allein beim europäischen Verbraucherzentrum Österreich Rat. „Die Kunden werden an der Haustür einfach überrumpelt. Die Dunkelziffer der Geschädigten ist sicher deutlich höher“, schildert Juristin Elisabeth Barth. „Die Bücher haben auf keinen Fall den Wert, mit dem sie angepriesen werden.“
Vor allem ältere Personen sind die Zielgruppe des Büchernepps. Wie die Firmen zu den Daten kommen, ist unklar. Doch es sind einige Unternehmen, die auf diese Tour Geschäfte machen. Eine deutsche Anwaltskanzlei listet 15 entsprechende Anbieter auf.
Die diesmal beklagte Firma rühmt sich auf ihrer Homepage, sich „seit der Gründung 2018 stetig auf Wachstumskurs“ zu befinden. Das angebliche Einzelstück für Herrn S. ist auf der Seite auch zu finden. Konkret gibt es davon 1.020 Exemplare. Auf KURIER-Anfrage wollte man sich nicht äußern.
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