53 Auskunftspersonen hat die im Mai eingesetzte Expertenkommission, die das „Management der Covid-19-Pandemie in Tirol“ untersuchen soll, über den Sommer befragt. Unter der Leitung des ehemaligen OGH-Vizepräsidenten Ronald Rohrer haben die Mitglieder des Gremiums unter anderem Politiker, Beamte und Touristiker angehört.
Am Montag wird die Kommission ihren mit Spannung erwarteten Bericht vorlegen. Im Fokus des Interesses steht dabei Ischgl, das im deutschsprachigen Raum exemplarisch für eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus steht.
Europäischer Hotspot
Tausende Gäste sind von dem Tiroler Skiort infiziert in ihre Heimatländer in ganz Europa und darüber hinaus zurückgereist. Das Apres-Ski-Treiben in dem Dorf im Paznauntal und der benachbarten Arlbergregion hat aber am Beginn der Pandemie auch die Covid-19-Ausbreitung in Österreich massiv befeuert.
Im April zeigte eine Analyse der AGES, dass über 600 Fälle im gesamten Bundesgebiet auf diesen sogenannten „Cluster S“ zurückzuführen waren. Skiurlauber aus dem In- und Ausland, Tourismusmitarbeiter und die einheimische Bevölkerung: Sie alle waren Leidtragende dessen, dass der Ausbruch nicht früher eingedämmt wurde.
Brennende Fragen
Darum stellt sich bis heute die Frage: Haben die Verantwortungsträger in Bund, Land, Bezirk und Gemeinde die Gefahr nicht erkannt, sie unterschätzt oder etwa gar – aus wirtschaftlichen Interessen, wie immer wieder gemutmaßt wurde – bewusst in Kauf genommen?
Antworten darauf soll die Ischgl-Kommission liefern. Doch was darf man sich von dem Report, der auf über 40 Stunden Befragungen und der Sichtung von 5.800 Seiten verschiedenster Unterlagen fußt, tatsächlich erwarten?
Was Spekulationen betrifft, dass die Politik auf Druck der Tourismuswirtschaft nicht früher rigorose Maßnahmen ergriffen hat, wäre eine entsprechende Dokumentation durch die Kommission eine echte Sensation.
Tirols VP-Landeshauptmann Günther Platter wies solche Vorwürfe stets zurück. Bis heute gibt es auch keine Belege, die das Gegenteil beweisen, obwohl zahlreiche Medien versucht haben, das Desaster von Ischgl aufzuarbeiten. Zittern müssen letztlich aber alle Beteiligten.
„Wir werden uns bemühen, das Verhältnis von Bund und Land auseinanderzuklauben“, hatte Rohrer gegenüber dem KURIER zum Start seiner Arbeit angekündigt.
Dem Vernehmen nach dürfte die Kommission, genauso wie die Staatsanwaltschaft Innsbruck, einen kritischen Blick auf die Umsetzung der letztlich von den Behörden ergriffenen Maßnahmen setzen.
Das große Chaos
Allen voran auf die Chaos-Quarantäne vom Freitag, den 13. März, über Ischgl und das Paznauntal sowie St. Anton am Arlberg. Eine Woche, nachdem am 7. März ein Barkeeper des Kitzlochs in Ischgl als erster offizieller Fall im Ort positiv getestet wurde, verkündete VP-Bundeskanzler Sebastian Kurz um 14 Uhr die Sperre der Region.
„Es herrscht totales Chaos“, berichtete kurz darauf ein Touristiker aus Ischgl. Die Live-Ankündigung der Quarantäne im Fernsehen hatte sich rasch herumgesprochen und eine regelrechte Flucht von Urlaubern und Tagesgästen ausgelöst.
Wie sich später herausstellte, waren die Tourismusverantwortlichen in Ischgl vorinformiert. Dass sie diesen Vorsprung genutzt haben, um Mitarbeiter regelrecht aus dem Tal zu jagen, bestreiten die Unternehmer.
Eigentlich hätten nur ausländische Gäste das Quarantänegebiet verlassen dürfen. Und das erst nach Ausfüllen eines Ausreiseformulars. Das traf jedoch erst gegen 16 Uhr bei den Tourismusverbänden ein. Mehrere KURIER-Anfragen, wie viele Gäste an jenem Tag aus ihren Hotels ausgecheckt haben und wie viele davon diese Blätter ausgefüllt haben, konnten oder wollten weder das Gesundheitsministerium noch das Land Tirol konkret beantworten.
Die Polizei startete die Kontrollen erst gegen 16.30 Uhr. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck wurde gar erst um 19.30 Uhr kundgemacht. Der Leiter der Behörde und zwei seiner Mitarbeiter sind es auch, gegen die dem Vernehmen nach von der Staatsanwaltschaft ermittelt wird.
Ortschef im Visier
Das trifft auch auf Werner Kurz, den Bürgermeister von Ischgl, zu. Gegen ihn wird ermittelt, da er eine Verordnung der BH zur Schließung des Skigebiets, die er am Donnerstag vor der Quarantäne bekam, erst am Samstag ausgehängt hat. Laut Kurz in Absprache mit der Behörde.
Der Bericht der Ischgl-Kommission wiederum dürfte auch wenig erfreulich für die Tiroler Landessanitätsdirektion ausfallen. Die sah ja etwa kein großes Ansteckungsrisiko für die Gäste des Kitzlochs, nachdem dort der Barkeeper positiv getestet wurde.
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