Das sinnlose Spiel mit dem Tempolimit
Als FP-Verkehrsminister Hubert Gorbach vom KURIER in einer kleinen Runde gefragt wurde, warum er sich im Jahr 2006 die damals äußerst heftige Diskussion über Tempo 160 überhaupt antue, sagte er: „Ich möchte Spuren hinterlassen.“ So wie die weißen Kfz-Nummerntafeln mitunter von Experten noch immer „Streicher-Taferln“ (nach dem SPÖ-Verkehrsminister Rudolf Streicher) genannt werden, so sollte es einen „Gorbach-160er“ geben.
Wie es bekanntermaßen acht Millionen Fußballteamchefs in Österreich gibt, finden sich auch acht Millionen Verkehrsexperten. Viele rechnen so: Kann ich 20 km/h schneller fahren, komme ich entsprechend früher an. Deshalb schrauben Politiker gerne an der Temposchraube. Aktuell soll in wenigen Wochen auf Wunsch von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) eine Tempo-140-Teststrecke in Oberösterreich starten, die ein paar Sekunden Beschleunigung bringen soll.
80, 100 oder doch 130?
Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) möchte außerdem, dass sich Elektroautos nicht mehr an die Umweltbeschränkungen nach dem IG-L halten müssen, sondern 130 km/h statt 80 oder 100 fahren dürfen.
Doch das Problem dabei ist: Dreht man an einer Schraube drehen sich andere mit: Die Folge wären nicht nur mehr Staus, sondern auch mehr Unfälle. Denn je höher die Tempounterschiede sind, desto gefährlichere Situationen entstehen. Lkw würden dann mit 80, Fahrzeuge mit Treibstoff mit 100 und Elektroautos mit 130 km/h fahren – die Folge wäre ein Chaos auf der Autobahn.
Doch die Frage ist, welche Geschwindigkeit wäre ideal? Das Standardwerk dazu schrieb 2002 der österreichische Verkehrswissenschaftler Peter Cerwenka als Leiter des Instituts für Verkehrssystemplanung an der TU Wien. Denn ein optimales Tempolimit ist wissenschaftlich berechenbar. Dazu muss man Folgendes bedenken: Je schneller man fährt, desto schlechter ist es für die Umwelt, weil diese mehr geschädigt wird. Allerdings muss der Verkehr rollen, weil sonst die Wirtschaft leidet – denn wenn Lkw langsamer vorankommen, müssen mehr Sattelschlepper unterwegs sein und die Transportkosten steigen. Höheres Tempo bedeutet aber wiederum mehr Unfälle und mehr Spitalskosten.
Wer diese komplizierte Rechnung zu Ende führt, kommt laut Cerwenka zu folgendem Ergebnis: In der Stadt wäre das ideale Limit 49 km/h, was auch gegen flächendeckende Tempo-30-Zonen spricht.
Im Freiland wird hingegen zu schnell gefahren, die beste Richtgeschwindigkeit wären hier 75,8 km/h. Auf der Autobahn ist das gültige Tempolimit hingegen fast ideal – knappe 125 km/h hat der Wissenschaftler errechnet. Das ist ebenso eine Absage an Tempo 140 wie an Träumereien von Tempo 100 auf der anderen Seite der politischen Skala.
Blick zum Nachbarn
Doch Autofahrer schielen gerne nach Deutschland und weisen daraufhin, dass es dort kein Tempolimit aber dennoch weniger Unfälle als in Österreich gibt. Das ist zum Teil richtig, hat aber nichts mit der freien Fahrt für freie Bürger zu tun. Denn die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit ist in Deutschland geringer als in Österreich. Grund dafür sind die vielen Staus und Tempolimits beim Nachbarn. Vor allem in den Ballungszentren gilt oft Tempo 80. Auch das hat einen Grund, denn bei dieser Geschwindigkeit kann die höchste Durchflussmenge an Autos erreicht werden. Würde man schneller fahren, wäre der Abstand zwischen den Autos zu groß und deshalb würden in Summe weniger Fahrzeuge vorankommen. Das ist ein gutes Beispiel, warum höhere Geschwindigkeit nicht auch automatisch schnelleres Vorankommen bedeutet.
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