Cowboy mit Herz grillt für Menschen auf der Straße
Entlang des Lerchenfelder Gürtels duftet es nach Grillfleisch und Käsekrainer. Verantwortlich dafür ist aber nicht die Wiedereröffnung der Gastronomie: Ein Mann mit Cowboyhut steht vor dem Yppenheim gegenüber der U6-Station Josefstädter Straße hinter einer großen Grillmaschine, mit einer Grillzange wendet er die brutzelnden Fleischstücke.
„Noch nie hat jemand mein Grillfleisch abgelehnt. Das ist die beste Würzung, die du je gekostet hast“, verspricht der Cowboy.
Er behält recht. Was kostet das? „Freie Spende für die, die es sich leisten können. Für alle anderen ist es kostenlos.“
Der Cowboy, der an diesem regnerischen Samstag am Gürtel steht und eigentlich Phillip „Ringo“ Nussbaumer heißt, grillt für die Obdachlosen der Stadt. So wie an jedem Wochenende. Er kümmert sich um die, die ganz unten in der gesellschaftlichen Hierarchie gelandet sind. Wirklich ganz unten.
Manchmal sogar im Abwasserkanal der Stadt.
„Wir gehen dort hin, wo sich nicht einmal mehr die Caritas oder die Obdach Wien hintrauen“, erklärt Nussbaumer. „Manchmal eben auch in Kanäle oder einbruchgefährdete Häuser. Denn auch dort verstecken sich Menschen. Das ist nicht ungefährlich. Aber sie brauchen unsere Hilfe.“
Nussbaumer weiß, wie es ist, auf der Straße zu leben. Vor einigen Jahren lebte er selbst dort.
Als der Halt plötzlich fehlte
Zuerst verlor er seinen Job. Dann seine Beziehung. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich habe keinen Halt mehr gefunden und alles verloren: mein Haus, meine Familie.“ Nussbaumer spricht ruhig, aber mit viel Gefühl in der Stimme. Vier Wochen lebte er insgesamt auf der Straße.
„Dann hat mich ein guter Freund gerettet. Der hat gesagt: ,Entweder du nimmst meine Hilfe an, oder es wird noch schlimmer.’ Das war meine Rettung.“ Der Freund unterstützte den gebürtigen Eisenstädter beim Wiedereinstieg ins Berufsleben, heute ist Nussbaumer Sachverständiger und prüft Dächer, lebt in Wiener Neustadt und hat zwei Kinder.
Dieser Freund, der Nussbaumer gerettet hat, möchte der heute 40-Jährige für all jene sein, die niemanden haben.
2020 gründete Phillip „Ringo“ Nussbaumer den Verein mit dem Ziel, Menschen, die auf der Straße leben, zu unterstützen. Der Verein ist in ganz Österreich aktiv.
100 Freiwillige umfasst der Verein. Sie kochen für Obdachlose oder sammeln und verteilen Sachspenden. 300 Winterjacken und 700 Schlafsäcke verteilte Nussbaumer im heurigen Winter.
3.000 Obdachlose versorgte Nussbaumer an den Weihnachtsfeiertagen im Vorjahr.
Zur Zeit wird Geld gesammelt für die Finanzierung zusätzlicher Grillmaschinen. Zudem werden immer wieder helfende Hände gebraucht. Kontakt: telefonisch 0660/7755446 oder per E-Mail helpinghands@ringoforhomeless.life
Wer den Verein unterstützen will, kann an folgendes Konto spenden:
Inhaber: Ringo for Homeless
IBAN: AT27 3293 7000 0065 1117, BIC: RLNWATWWWRN
Zum Beispiel für Andreas. Er verteilt gerade Ketchup und Senf auf den bereitgestellten Papptellern. Der 48-Jährige ist gelernter Koch, arbeitete jahrelang im Café-Restaurant Donaucity. Dann hat er seinen Job verloren, konnte für seine Wohnkosten nicht mehr aufkommen. Jetzt schläft er mal bei Bekannten, mal in öffentlichen Unterkünften. Bei den Grillereien ist er meist noch vor Nussbaumer selbst vor Ort und hilft beim Vorbereiten. Künftig soll er die Organisation und den Aufbau der Grillereien in Wien übernehmen. „Ich komm’ ja auch aus der Gastro und bin schon lange dabei, also werd’ ich das schon schaukeln“, sagt er, während er frische Würstel auf den Griller legt.
Nussbaumer kümmert sich inzwischen um die richtige Beschallung: „Marmor, Stein und Eisen bricht“, tönt es aus dem mitgebrachten Lautsprecher. Die ausgelassene Stimmung ist ansteckend.
Würstel zu Weihnachten
Seit fünf Jahren opfert Nussbaumer jede freie Minute für obdachlose Menschen. Allein im heurigen Winter verteilte er 700 Jacken, 300 Schlafsäcke und unzählige Portionen warmes Essen.
Zu Weihnachten veranstaltete er eine Grillerei für alle, die kein Zuhause haben. 3.000 Obdachlose versorgte er während der Feiertage. Er sammelt Weihnachtsgeschenke für Kinderdörfer, organisiert Nikolausbesuche und sucht und finanziert Wohnungen für seine „Schützlinge“, wie er die Menschen nennt, die seine Hilfe brauchen. Nussbaumer gibt alles, was er geben kann.
Im Vorjahr gründete er offiziell den Verein „Ringo for Homeless“. Mittlerweile helfen 100 Ehrenamtliche mit. Einmal will er ein Buch veröffentlichen, sagt er. Über all die Geschichten, die er in den vergangenen Jahren gehört hat.
Davor geht es aber nach Amerika.
Kampf für Nächstenliebe
Immer wieder nimmt er Freiwillige mit auf seine Einsätze, im Winter war der junge Amerikaner Maser mit dabei. Er war begeistert von Nussbaumers Engagement und lud ihn daraufhin ein, ihn in Amerika zu besuchen, um gemeinsam vor Ort ähnliche Aktionen ins Leben zu rufen. Geplant ist die Reise für den Spätsommer.
Davor wird aber noch in Italien, der Schweiz, Deutschland und Ungarn gegrillt – Nussbaumer hat überall freiwillige Helfer. Zwei seiner „Schützlinge“ werden ihn begleiten.
Auch der Cowboyhut kommt mit auf die Reise. „Das ist mein Erkennungsmerkmal. Dann wissen die Menschen auf der Straße, dass ich ihnen nichts Böses will.“ Sein Retter trug ebenfalls einen. Er hat ihm übrigens auch das Grillen beigebracht.
Gleichzeitig ist der Hut ein Kampfsymbol – gegen das System, das die Menschen auf die Straße drängt. So wie sich bereits der stereotypisierte Cowboy des Wilden Westens dem System widersetzte, kämpft auch Nussbaumer dagegen.
Nur nicht mit einem Revolver, sondern einem riesigen Herzen am richtigen Fleck.
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