Cowboy mit Herz grillt für Menschen auf der Straße

Ein Mann mit Hut und Grillschürze posiert vor einem Stand von „Ringo for Homeless“.
Phillip „Ringo“ Nussbaumer grillt für Obdachlose. Dafür überquert er auch den Atlantik. Er lebte einst selbst auf der Straße.

Entlang des Lerchenfelder Gürtels duftet es nach Grillfleisch und Käsekrainer. Verantwortlich dafür ist aber nicht die Wiedereröffnung der Gastronomie: Ein Mann mit Cowboyhut steht vor dem Yppenheim gegenüber der U6-Station Josefstädter Straße hinter einer großen Grillmaschine, mit einer Grillzange wendet er die brutzelnden Fleischstücke.

„Noch nie hat jemand mein Grillfleisch abgelehnt. Das ist die beste Würzung, die du je gekostet hast“, verspricht der Cowboy.

Er behält recht. Was kostet das? „Freie Spende für die, die es sich leisten können. Für alle anderen ist es kostenlos.“

Ein Mann grillt Hähnchenfleisch für die Wohltätigkeitsorganisation „Ringo for Homeless“.

400 Portionen Grillfleisch wurden bei der Grillerei am Samstag verteilt

Der Cowboy, der an diesem regnerischen Samstag am Gürtel steht und eigentlich Phillip „Ringo“ Nussbaumer heißt, grillt für die Obdachlosen der Stadt. So wie an jedem Wochenende. Er kümmert sich um die, die ganz unten in der gesellschaftlichen Hierarchie gelandet sind. Wirklich ganz unten.

Manchmal sogar im Abwasserkanal der Stadt.

„Wir gehen dort hin, wo sich nicht einmal mehr die Caritas oder die Obdach Wien hintrauen“, erklärt Nussbaumer. „Manchmal eben auch in Kanäle oder einbruchgefährdete Häuser. Denn auch dort verstecken sich Menschen. Das ist nicht ungefährlich. Aber sie brauchen unsere Hilfe.“

Nussbaumer weiß, wie es ist, auf der Straße zu leben. Vor einigen Jahren lebte er selbst dort.

Fünf Männer stehen an einem Grill und bereiten Essen für Obdachlose zu.

Seine „Schützlinge“ Dominik, Andreas und Otto (v.l.) helfen tatkräftig mit. Der junge Amerikaner Maser (2.v.l.) hat Nussbaumer eingeladen, ihn in Utah zu besuchen und ähnliche Aktionen dort aufzubauen

Als der Halt plötzlich fehlte

Zuerst verlor er seinen Job. Dann seine Beziehung. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich habe keinen Halt mehr gefunden und alles verloren: mein Haus, meine Familie.“ Nussbaumer spricht ruhig, aber mit viel Gefühl in der Stimme. Vier Wochen lebte er insgesamt auf der Straße.

„Dann hat mich ein guter Freund gerettet. Der hat gesagt: ,Entweder du nimmst meine Hilfe an, oder es wird noch schlimmer.’ Das war meine Rettung.“ Der Freund unterstützte den gebürtigen Eisenstädter beim Wiedereinstieg ins Berufsleben, heute ist Nussbaumer Sachverständiger und prüft Dächer, lebt in Wiener Neustadt und hat zwei Kinder.

Dieser Freund, der Nussbaumer gerettet hat, möchte der heute 40-Jährige für all jene sein, die niemanden haben.

Zum Beispiel für Andreas. Er verteilt gerade Ketchup und Senf auf den bereitgestellten Papptellern. Der 48-Jährige ist gelernter Koch, arbeitete jahrelang im Café-Restaurant Donaucity. Dann hat er seinen Job verloren, konnte für seine Wohnkosten nicht mehr aufkommen. Jetzt schläft er mal bei Bekannten, mal in öffentlichen Unterkünften. Bei den Grillereien ist er meist noch vor Nussbaumer selbst vor Ort und hilft beim Vorbereiten. Künftig soll er die Organisation und den Aufbau der Grillereien in Wien übernehmen. „Ich komm’ ja auch aus der Gastro und bin schon lange dabei, also werd’ ich das schon schaukeln“, sagt er, während er frische Würstel auf den Griller legt.

Nussbaumer kümmert sich inzwischen um die richtige Beschallung: „Marmor, Stein und Eisen bricht“, tönt es aus dem mitgebrachten Lautsprecher. Die ausgelassene Stimmung ist ansteckend.

Würstel zu Weihnachten

Seit fünf Jahren opfert Nussbaumer jede freie Minute für obdachlose Menschen. Allein im heurigen Winter verteilte er 700 Jacken, 300 Schlafsäcke und unzählige Portionen warmes Essen.

Zu Weihnachten veranstaltete er eine Grillerei für alle, die kein Zuhause haben. 3.000 Obdachlose versorgte er während der Feiertage. Er sammelt Weihnachtsgeschenke für Kinderdörfer, organisiert Nikolausbesuche und sucht und finanziert Wohnungen für seine „Schützlinge“, wie er die Menschen nennt, die seine Hilfe brauchen. Nussbaumer gibt alles, was er geben kann.

Ein Mann mit Cowboyhut steht vor einem Tisch voller Geschenke.

„Ich such mir absichtlich die Schwächsten, um sie wieder stark zu machen": So kommt es, dass der Cowboy auch mal Christkind spielt

Im Vorjahr gründete er offiziell den Verein „Ringo for Homeless“. Mittlerweile helfen 100 Ehrenamtliche mit. Einmal will er ein Buch veröffentlichen, sagt er. Über all die Geschichten, die er in den vergangenen Jahren gehört hat.

Davor geht es aber nach Amerika.

Kampf für Nächstenliebe

Immer wieder nimmt er Freiwillige mit auf seine Einsätze, im Winter war der junge Amerikaner Maser mit dabei. Er war begeistert von Nussbaumers Engagement und lud ihn daraufhin ein, ihn in Amerika zu besuchen, um gemeinsam vor Ort ähnliche Aktionen ins Leben zu rufen. Geplant ist die Reise für den Spätsommer.

Davor wird aber noch in Italien, der Schweiz, Deutschland und Ungarn gegrillt – Nussbaumer hat überall freiwillige Helfer. Zwei seiner „Schützlinge“ werden ihn begleiten.

Auch der Cowboyhut kommt mit auf die Reise. „Das ist mein Erkennungsmerkmal. Dann wissen die Menschen auf der Straße, dass ich ihnen nichts Böses will.“ Sein Retter trug ebenfalls einen. Er hat ihm übrigens auch das Grillen beigebracht.

Gleichzeitig ist der Hut ein Kampfsymbol – gegen das System, das die Menschen auf die Straße drängt. So wie sich bereits der stereotypisierte Cowboy des Wilden Westens dem System widersetzte, kämpft auch Nussbaumer dagegen.

Nur nicht mit einem Revolver, sondern einem riesigen Herzen am richtigen Fleck.

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