Fast 1.000 Tage sind vergangen, seit Österreich erstmals in einem Lockdown war: Am 16. März 2020 – vor zwei Jahren und sieben Monaten – gingen die Rollläden herunter.
In diesen seither 945 Tagen tauchten mehrere Mutanten des Coronavirus auf, Österreich durchlebte vier bundesweite harte Lockdowns und mehrere Corona-Wellen, aktuell rauscht Nummer 7 durchs Land. Diese Herbstwelle bringt hohe Neuinfektionszahlen trotz geringer Testrate und die höchste 7-Tage-Inzidenz Europas.
Momentan sinken diese weltweit etablierten Kennzahlen in Österreich wieder, aber auf hohem Niveau, wobei Experten tägliche Neuinfektionen mittlerweile ohnedies nur noch als „Trendindikator“ einstufen. Zu hoch sei die Dunkelziffer, seit es keine Massentestungen mehr gibt, sie wurden mit April 2022 eingestellt. Die Abwassermonitorings zeigen allerdings, dass die Virenbelastung seit Ende September zwei bis drei Mal höher war als die Corona-Tests ergeben haben.
Schneller neu infiziert
Die Herbstwelle ebbt also gerade wieder ab, doch was kommt dann? „Im Prinzip ist alles offen. Auch in der Variantensituation ist noch eine gewisse Dynamik drin“, analysiert Komplexitätsforscher Peter Klimek. Derzeit herrscht BA.4/BA.5, die Subvariante von Omikron. Diese Mutante verkürzt offenbar den Abstand zwischen überstandener und neuerlicher Infektion: Binnen vier Wochen kann man sich reinfizieren, zuvor waren es drei Monate. „Man muss davon ausgehen, das der Infektionsdruck wieder steigt“. mahnt Klimek.
Das sieht auch die Corona-Ampel-Kommission in ihrer jüngsten Einschätzung so, doch Ausmaß und Konsequenzen wagt derzeit kein Experte zu prognostizieren: „Mangels verfügbarer Daten zur Dunkelziffer und zur abnehmenden Immunität ist nicht klar, wann und wie stark die gemeldeten Fallzahlen dann wieder steigen werden“, bleibt die Kommission vage.
Der dritte Pandemiewinter steht bevor – und das womöglich ohne breit angelegte FFP2-Masken-Pflicht: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will weiter beobachten, auch wenn Mediziner und Mitglieder der Ampel-Kommission auf die bundesweite Rückkehr der Maskenpflicht im Alltag drängen. „Es kann heuer zu vermehrten Influenzafällen kommen, da in der Bevölkerung eine vergleichsweise geringe Immunität vorliegt“, warnt das Konsortium: „Das würde zu einer zusätzlichen Belastung des Gesundheitssystems führen.“ In den vergangenen Wintern schützte die Maske nämlich auch vor der echten Grippe sowie grippalen Infekten.
Der derzeit beobachtete Rückgang an Neuinfektionen – auch durch das frühlingshafte Oktoberwetter, das mehr Leute ins Freie treibt – wird sich erst zeitverzögert in den Krankenhäusern niederschlagen. Momentan werden rund 2.500 coronapositive Patienten auf Normal- und Intensivstationen behandelt, wobei: Nur noch ein Viertel von ihnen hat Covid als Hauptdiagnose. „Aber das heißt ja nicht, dass dies nicht trotzdem mehr Aufwand im Spital bedeutet“, mahnt Klimek: Auch ein Patient, der Covid nur als Nebendiagnose hat, muss isoliert und unter strengeren Schutzvorschriften betreut werden.
Operationen verschoben
Bis zu 3.900 coronapositive Patienten auf Normalstationen befürchtet das Prognosekonsortium bis zum Nationalfeiertag. Manche Spitäler schalten bereits auf Notbetrieb und verschieben geplante Eingriffe: Sie haben zu wenig Personal – die Krankenstände sind auf durchschnittlich sieben Prozent gestiegen, üblich sind fünf Prozent.
Der Bund muss rasch entscheiden, wie es weiter geht. Die aktuelle Fassung der 2. Covid-Basismaßnahmenverordnung läuft exakt in einer Woche aus: Sie legt die derzeitigen Mindeststandards an österreichweiten Maßnahmen fest, etwa die 3-G-Zutrittsregeln für Besuchern von Spitälern oder Pflegeheimen. Wird die Verordnung nicht verlängert – oder adaptiert – wäre dies das Aus für der letzten verpflichtenden Corona-Schutzmaßnahmen.
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