Clubszene und Corona: Was von der Nacht übrig blieb
„Please wait to be seated“, steht auf dem unübersehbaren Schild beim Eingang der Wiener Pratersauna. Daneben: ein Spender mit Desinfektionsmittel. Bis der Kellner kommt, dauert es ein paar Minuten. Er führt die Gäste zu einem der Tische oder Sitzlounges rund um den Pool im Garten. Vor ein paar Monaten kamen die Menschen noch hierher, um die Nacht durchzutanzen. Das geht derzeit nicht.
Wer ausgehen, tanzen, feiern möchte, muss seit Monaten kreativ sein. Denn Clubs befinden sich seit Corona immer noch in einer Art Lockdown. Um 1 Uhr in der früh ist Sperrstunde – zu einer Zeit, wo es in den Clubs erst richtig losgehen würde.
Tanzen nur eingeschränkt möglich
Ein Außenbereich ist für viele die einzige Möglichkeit, derzeit überhaupt aufzusperren. Tanzen ist nur eingeschränkt möglich. Das Ergebnis: Das (offizielle) Nachtleben steht quasi still. Und viele Clubbetreiber bangen um ihre Existenz. Um das Beste aus der Situation zu machen, entwickeln nun viele ein Alternativprogramm.
So wie der Kramladen am Lerchenfelder Gürtel. Die Türen stehen weit offen, an der Türkante legt DJ DeeRüsche auf: Für die Gäste, die am Gehsteig an rund zehn Tischen vor Bier und Spritzer sitzen. Oben rattert die U6 vorbei, daneben eine Garnitur der Straßenbahnlinie 2. Von der Fahrbahn am Gürtel kommt Autolärm. Die Musik hören die Gäste kaum.
Das Event heißt „Socially Distanced Social Club“. Getanzt wird nicht. Die Gäste bleiben lieber an den Tischen sitzen. „Die Leute scheuen sich noch ein wenig“, sagt der DJ. Wie so viele Wiener Clubs kämpft der Kramladen ums Überleben. „Uns geht es aber besser als anderen Lokalen am Gürtel. Weil wir viele Stammgäste haben, die gern zu uns kommen“, sagt Inhaber Sami Ercan.
Keine Perspektive
Eine Perspektive haben er und seine Mitbewerber nicht. In Österreich sieht es nicht danach aus, dass die Nachtlokale bald wieder aufmachen dürfen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) will dazu noch keine Entscheidung fällen.
Am Samstagnachmittag gab es im Wiener Auer-Welsbach-Park im 15. Bezirk eine kleine Demo für die elektronische Clubkultur. Bei heißen Temperaturen tanzten ein paar Menschen mit Mundschutz und ausreichend Abstand, während andere mit Bier im Gras saßen.
Was nun am Wolfgangsee passiert ist, hat die Chancen nicht gerade verbessert. Dort haben sich kürzlich Praktikanten mit dem Coronavirus infiziert – vermutlich beim Ausgehen in zwei Nachtlokalen. Was folgte, war ein neuer Corona-Cluster.
Club U
Der Club am Karlsplatz hat seine Partys nach draußen verlegt. Mittwoch bis Samstag gibt’s dort technoiden Sound zu hören
Flex
Das Flex am Donaukanal hat seinen Garten zu einer Beach-Bar umfunktioniert. Dienstag und Freitag bespielen DJs ab 17 Uhr Terrasse und Garten
Pratersauna
Jeden Mittwoch ab 18 Uhr gibt es in der Pratersauna im Prater Electro-Musik von „FM4 Swound“
Black Market
Im Black Market an der Heiligenstädter Lände kann man zu Beats jetzt essen: Am Wochenende ab 20 Uhr, Samstag und Sonntag von 6 bis 11 Uhr gibt’s auch Frühstück
Fluc
Das Fluc am Praterstern hat seine Terrasse geöffnet, Mittwoch bis Samstag finden dort ab 16 Uhr Events statt
Chelsea
Konzerte im Chelsea am Lerchenfelder Gürtel finden wieder statt – aber mit Mindestabstand
Das Werk
Club-Alternativprogramm:
Die Kultur-Terrasse an der Spittelauer Lände startet jeden Dienstag ab 16 Uhr
Himmel und Wasser
Das Lokal auf der Donauinsel bietet regelmäßige Outdoor-Veranstaltungen an. Zum Beispiel das Sonntagstanzen jeden Sonntag ab 16 Uhr
Auch in der Schweiz führte vergangenes Wochenende der Club-Besuch eines positiv auf Covid-19 getesteten Gastes dazu, dass rund 240 Personen in Quarantäne mussten. Die Folge: Einige Lokalschließungen. Und nun sogar eine Debatte über landesweite Club-Schließungen.
Die heimischen Clubbetreiber fordern seit Monaten eine Lösung. Ihr Argument: Ein geregelter Club-Besuch unter Einhaltung der Corona-Maßnahmen würde mehr Sicherheit bieten als unkontrolliertes Feiern.
Ausweg Schanigarten
Aber heißt das nun, dass man in Wien derzeit nirgends feiern gehen kann? Nein. Die Menschen finden trotzdem Orte dafür. In den Bars und deren Schanigärten drängen sich die Feiernden. Sie kosten dort die Nacht zumindest bis zur Sperrstunde aus.
Davon profitiert etwa Tom Sampl, Inhaber der Bar Motto in Margareten. „In den Abendstunden haben wir deutlich mehr Gäste als sonst. Die Menschen suchen nach einer Alternative zum Club.“
Dosenbier am Donaukanal
Aber nicht nur in den Bars ist viel los. Wie berichtet, hat sich auf den öffentlichen Plätzen eine Partyszene entwickelt. Abends sitzen Hunderte junge Leute am Donaukanal und trinken Dosenbier.
Und das, obwohl der Szene-Club Flex ein paar Meter weiter versucht, ihnen einen Besuch so schmackhaft wie möglich zu machen: Im Garten wurden Liegestühle aufgestellt, DJs legen draußen auf. Dort trifft man aber meist nur wenige Gäste an.
Das gleiche Bild zeigt sich am Karlsplatz. Vor dem Otto-Wagner-Gebäude beim Club U ist an Wochentagen nur eine Handvoll Gäste anzutreffen. Zum Wochenende hin sei mehr los, erzählt die Kellnerin. Auch hier spielt es sich nur wenige Meter weiter ab: Vor der Karlskirche feiern mehr als hundert junge Menschen.
Welcher Ausweg bleibt also für die Clubs?
Eine Möglichkeit wird in Südtirol getestet. Dort haben die Clubs wieder geöffnet – jedoch unter Einhaltung sehr strenger Regeln: Limitierte Personenanzahl, Registrierungspflicht, Temperaturmessung und Maskenpflicht im ganzen Lokal – auch beim Tanzen. Auch in Österreich wurden bereits Konzepte vorgelegt. Noch ohne Erfolg.
Mitarbeit: Adrian Zerlauth
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