Mörderinnen trinken sich keinen Mut an

„Großartige Schauspielerin“: Giftmörderin Elfriede Blauensteiner wickelte alle um den Finger.
Psychiaterin und Gutachterin Sigrun Roßmanith schrieb über Frauen, die töten.

Sie war charmant und freundlich. (...) Sie erachtete mich als viel zu dünn und wollte mich gleich bekochen, mit einer guten Mehlspeise, wie sie meinte. Tatsächlich gab sie mir das Rezept, und es schmeckte vortrefflich.“ Passage über Elfriede Blauensteiner aus „Sind Frauen die besseren Mörder?“

Seit 30 Jahren ist Sigrun Roßmanith Psychiaterin, seit 15 Jahren Gerichtsgutachterin. Unzählige Gespräche hat sie mit Mörderinnen und Mördern geführt. Über ihre Beweggründe, ihre Gedankenwelt, ihre Vergangenheit. Die Täterinnen haben sie besonders fasziniert. Vor wenigen Wochen ist ihr Buch „Sind Frauen die besseren Mörder?“ erschienen. Und gleich zu Beginn gibt sie darauf eine Antwort: Ja.

„Frauen sind einfallsreicher. Auch ihre Rache ist gezielter, spezifischer und unberechenbarer“, sagt Roßmanith und beschwichtigt im gleichen Atemzug: „Aber ich will die Frauen mit dem Buch nicht ins schlechte Licht rücken.“ Nachsatz: „Frauen sind eben nicht die besseren Menschen.“ Auch wenn Männer statistisch gesehen zehn Mal häufiger töten. „Das Böse haust in jedem von uns und ist stets präsent.“

Manipulation

Mit dem Fall der Giftmörderin Elfriede Blauensteiner ist das Buch in ihrem Kopf gewachsen. Zehn Jahre schrieb sie daran. „Ich musste mich erst selbst mit meinen Schattenseiten auseinandersetzen. Und ich wollte die Frauen weder verklärend noch vernichtend darstellen.“

Blauensteiner (2003 gestorben) ist in dem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet. Vier Tage lang führte die Psychiaterin Gespräche mit ihr. „Und ich habe kaum jemanden erlebt, der manipulativer war. Manchmal habe ich sogar meine eigenen Fragen vergessen, weil mich ihre Erzählungen so gefesselt haben. Sie hätte eine großartige Schauspielerin werden können.“

Das Liebste der Welt

Frauen dieser Art hat Roßmanith nie wieder getroffen, sagt sie. Aber viele andere mehr, die sich in ihr Gedächtnis gebrannt haben. Wie der Fall jener Frau, die Roßmanith dazu veranlasste, Gerichtsgutachterin zu werden. Eine Frau, die ihre beiden Kinder aus dem vierten Stock warf und hinterhersprang. Die Kinder starben, die Frau überlebte – erinnerte sich aber nicht mehr an die Tat. „Es war meine schwierigste Lebenserfahrung, der Frau zu vermitteln, dass sie ihre Kinder getötet hatte“, erinnert sich die Psychiaterin. „Das kann doch nicht sein. Ich kann mir nicht das Liebste auf der Welt selbst genommen haben“, sagte die Frau. Eineinhalb Jahre später nahm sie sich das Leben. Das war der Auslöser für Roßmanith, Gerichtspsychiaterin zu werden. „Solche Geschichten berühren mich tief.“

Sie habe kein Mitleid, sagt sie. „Aber manchmal leide ich ein bisschen mit.“ Und seit sie den Job macht, verzichtet sie aufs Theater. „Das ist nur ein Abklatsch des Lebens.“

Frauen, die töten, tun dies oft als Beziehungstäterinnen. „Nur zehn Prozent sind Zufallsopfer“, rechnet Roßmanith vor. Und die Morde der Frauen unterscheiden sich von jenen, die Männer begehen. Hat eine Frau erst einmal den Entschluss gefasst, gibt es kein Zurück mehr. Während der Tat sind sie selten alkoholisiert. „Im Unterschied zu Männern müssen sich die Frauen keinen Mut antrinken. Sie sind klarer, sachlicher und denken voraus“, erklärt die Psychiaterin. Die Statistik zählt im vergangenen Jahr 57 Morde, die in Österreich verübt wurden. Vier davon von Frauen.

Dass Frauen bevorzugt mit Gift töten, ist übrigens ein Mythos. Sie sind bei der Wahl der Waffen nicht zimperlich. Meist sind es Messer, aber auch Schusswaffen sind keine Seltenheit.

Trennung

Mörderinnen trinken sich keinen Mut an
Sigrun Roßmanith
Männer, so schreibt Roßmanith, töten eher, um die Partnerschaft aufrechtzuerhalten. Frauen hingegen töten häufiger, wenn sie sich trennen wollen – so wie Estibaliz Carranza, die zwei Männer erschoss, sie mit einer Kettensäge zerstückelte und im Keller einbetonierte. „In Beziehungen töten meist die Schwächeren“, sagt die Gutachterin.

Das Buch sei für sie auch ein Lebenswerk, gewidmet ihrer Mutter, mit der sie eine schwierige Beziehung verband.

Erschienen ist es im Amalthea-Verlag, erhältlich im Buchhandel um 22,95 Euro. ISBN: 978-3-85002-843-1.

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