Ein Facebook-User hatte im Februar noch vor dem Maskenskandal mit einem Posting suggeriert, dass Katharina Nehammer bei der Hygiene Austria an der Maskenproduktion verdiene. „Uiii da wird Kohle gschefflt und das brave Volk glaubt es war für d’Gsundheit“, hieß es unter anderem in dem Posting. Tatsächlich hatte Nehammer bei der PR-Agentur, bei der sie arbeitet, nichts mit der Betreuung des Maskenherstellers als Kunden zu tun. Sie verglich sich mit dem 61-jährigen Verfasser der inkriminierenden Zeilen vor Gericht in Klagenfurt und bekam 3.500 Euro Entschädigung zugesprochen.
Diese Summe plus Anwaltskosten will Rami nun im Auftrag seiner Mandantin von anscheinend allen erstreiten, die das Posting geteilt haben. Und das sind Hunderte. Auch Christopher Ebert aus dem Bezirk Baden fiel aus allen Wolken, als er vor wenigen Tagen das Schreiben in der Post hatte. Nach einem Aufruf haben sich bereits ein Dutzend weitere Betroffene bei ihm gemeldet. „Darunter ist eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die finanziell nicht mehr weiter weiß, wenn sie das zahlen muss. Die Leute sind extrem verunsichert“, schildert Ebert. Das Posting selbst hält er für nicht ehrenrührig. Daher wehren er und andere Betroffene sich nun mithilfe von Rechtsanwalt Michael Dohr und dessen Kollegen Amir Ahmed gegen die Klagsdrohung.
4,5 Millionen steuerfrei?
Dohr findet die gesamte Vorgangsweise befremdlich: „Das Posting wurde anscheinend 1.300 Mal geteilt. Wenn alle zahlen, wären das dann 4,5 Millionen Euro steuerfrei und nochmals 1,3 Millionen Euro für den Anwalt“. Er sieht durch das Posting weder den Tatbestand der üblen Nachrede noch der Ehrenbeleidigung erfüllt.
„Der Satz, wonach da Kohle gescheffelt werde, ist viel zu unbestimmt und bezieht sich rein auf das Unternehmen und nicht auf Frau Nehammer selbst“, so Dohr und Ahmed. Sie raten dringend davon ab, auf die Forderungen einzugehen.
Anzeige bei der Kammer
Michael Rami weilt laut Auskunft seiner Kanzlei zur Zeit im Urlaub und ließ die schriftliche Anfrage des KURIER unbeantwortet.
Dohr bringt in Namen seiner Mandanten sogar eine Disziplinaranzeige gegen Rami bei der Kammer ein. „Das Schreiben ist disziplinär und setzt die Personen unter Druck“. Vor allem die Drohung, dass weitere erhebliche Prozesskosten von den Leuten zu tragen wären, hält Dohr für standeswidrig.
Ein vergleichbarer Fall nach einem geteilten Facebook-Posting mit anschließender Klage wegen übler Nachrede endete diese Woche in St. Pölten vergleichsweise harmlos – mit einer Diversion und 100 Euro Strafe. Allerdings hatte einer der Angeklagten im Vorfeld 1.300 Euro an den Rechtsanwalt des Geschädigten überwiesen. Ob das eine kluge Entscheidung war, ist offen. Denn im Strafverfahren selbst kamen sie weit günstiger davon.
Fälle häufen sich
Dass oft nur ein Mausklick ausreicht, um auf der Anklagebank zu landen, weiß auch Florian Knotek. Der auf Internetrecht spezialisierte Anwalt aus Baden bei Wien berichtet, dass sich in diesem Bereich die Fälle häufen würden.
„Vor allem auch junge Menschen machen den Fehler, dass sie Inhalte teilen oder Fotos verschicken, die einen Strafbestand darstellen“, sagt Knotek. Dabei handle es sich oftmals nicht um ein Kavaliersdelikt, so der Experte. Und: Unwissenheit schütze vor Strafe nicht.
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