Brauerei Stiegl: "Für unsere Branche sind warme Temperaturen gut"
Heinrich Dieter Kiener führt seit den 1990er-Jahren die Stieglbrauerei zu Salzburg, die auf 530 Jahre Geschichte zurückblickt.
KURIER: Wie geht es Österreichs größter Privatbrauerei in Zeiten, die von Teuerung und anderen Problemen geprägt sind?
Kiener: Krisenzeiten sind auch immer eine Chance. Manche behaupten: ,Eine Brauerei ist toll, getrunken wird immer‘, aber ganz so ist das nicht. In der Pandemie ist der Gastronomie-Anteil wegen der vielen Schließtage zu großen Teilen ausgefallen. Auch bei uns im Haus ist einiges an Infrastruktur gestanden. Das Geschäft hat sich in den Handel verlagert und die ganzen Umsätze sind über Kisten- und Flaschenverkauf gelaufen.
Haben die Menschen dafür nicht daheim deutlich mehr getrunken?
Bier ist ein sehr soziales, kommunikatives Produkt. ,Ich gehe auf ein Bier‘, heißt es so schön. Diese Komponente ist weggefallen. Sicher wird zu Hause in den Familien getrunken, doch das ist ein anderes Zusammensein. Was gefehlt hat, sind die Feste. Jetzt leben wir wieder auf und die Leute feiern wieder.
Mussten in Lockdown-Zeiten Teile der Produktion stillgelegt werden?
Wir haben uns mit Kurzarbeit beholfen und konnten unseren Mitarbeiterstand zum Glück halten.
War das die schwierigste Zeit in der Geschichte von Stiegl?
Das glaube ich nicht. Wir feiern heuer immerhin 530 Jahre – eine lange Zeit, in der es auch Kriege und die Pest gab. Dieses Haus hat schon vieles ausgehalten. Doch in meiner Ära seit den 1990er-Jahren war es mit Sicherheit die herausforderndste Zeit.
Was haben Sie aus der Pandemie gelernt?
Man kommt definitiv aus der Komfortzone. Jahrelang eingeführte Prozesse sind plötzlich infrage gestellt. Das verändert. Vor allem unser Optimismus und unsere Wertekultur haben uns durch die Zeit getragen. Von der Hotellerie wurden wir für unseren großzügigen Umgang mit Rückwaren gelobt. Schließlich ging ein Großteil der Bestellungen fast unberührt wieder an uns zurück.
Wie stark wirkt sich die aktuelle Sommer-Hitze auf den Bierdurst aus?
Für unsere Branche sind warme Temperaturen immer gut.
Wie ist die Konkurrenz-Situation am Brauereimarkt?
Die Heineken-Tochter Brau Union dominiert den Markt in Österreich mittlerweile mit 58 Prozent. Auf Platz zwei kommt Stiegl mit 11 Prozent, gefolgt von Ottakringer. Internationale Konzerne spielen ihre Macht geschickt aus. Als Gegenpol dazu haben wir Familienunternehmen uns zu den Privatbrauereien zusammengetan.
Ist es denkbar, dass auch Stiegl sich dem Brauerei-Riesen eines Tages anschließt?
Eine Eingliederung wird es unter meiner Führung nicht geben. In Salzburg sind wir im Bierbereich schon ein gallisches Dorf, denn es haben sich einige sehr renommierte Privatbrauereien ihre Eigenständigkeit bewahrt.
Es gibt es immer wieder Diskussionen rund um ein drohendes Gersten-Monopol.
Wir kämpfen seit Jahren dagegen und haben mit den Vereinigungen „Die freien Brauer“ und „Slow Brewing“ bereits verschiedenste Initiativen gesetzt. Patente auf Pflanzen, zum Beispiel auf Braugerste, sind eine heikle Angelegenheit. Vielfalt und Qualität sind dadurch ernsthaft in Gefahr. Leider ist das Ganze sehr komplex und für den Konsumenten oft zu kompliziert.
Auf welche Gerste greift Stiegl zurück?
Wir beziehen unsere Gerste zum Großteil direkt von Gerstenbauern aus Niederösterreich und auf unserem Gut Wildshut bauen wir selbst Urgetreide an.
Sie engagieren sich in Wildshut an der Grenze zu Oberösterreich für Kreislaufwirtschaft. Warum?
Das ganze Leben ist ein Kreislauf. Darum kümmern wir uns um den Boden und dessen Gesundheit, denn darin bzw. darauf wachsen die Zutaten für unsere Produkte. Derzeit läuft ein Projekt mit Gerstenbauern der Erzeugergemeinschaft aus Zistersdorf in Niederösterreich. Ziel ist es, den Humusanteil langfristig aufzubauen und für das Klima schädliches CO2 im Boden zu binden. Wir heben so die Versuche aus Wildhut auf eine größere Ebene.
Wie kam es zur Kreativ-Brauerei am Gut Wildshut?
Mein Großonkel hat das Gut samt Landwirtschaft und Brauerei 1917 gekauft. Meine Frau und ich haben Wildshut mit Mälzerei und Brauerei 2015 zu neuem Leben erweckt. Hier produzieren wir besondere Biere, aber auch Whiskey, Schnaps und Gin.
Was liegt aktuell bei den Biersorten und Geschmacksrichtungen im Trend?
Das Helle ist momentan sehr gefragt. Es ist ein leichter Biertyp und passt bestens zu den heißen Sommertagen.
Was geht besonders gut?
Alkoholfreie Biere sind noch mehr im Kommen. Wir brauen unsere 0,0 Prozent-Alkohol-Biere nach einer neuen Methode und schaffen es so, tatsächlich zu 100 Prozent alkoholfrei zu sein.
Was sind die Geschmacksträger beim Bier? An welchen Schrauben dreht man, um eine charakteristische Note entstehen zu lassen?
Die Arbeit beginnt eigentlich schon am Feld oder besser gesagt im Boden, auf dem die Braugerste wächst. In der Mälzerei geht es dann um die feinen Nuancen des Röstens. Hier sammeln wir in Wildshut viel Know-how.
Wo sind die wichtigsten Absatzmärkte?
Traditionell ist unser Kerngebiet Tirol, Salzburg und Oberösterreich. Wir sind aber auch in Wien, Niederösterreich und der Steiermark gut vertreten. Unsere Exportmärkte in Übersee kommen dazu. Unser Grapefruit-Radler hat etwa in den USA und in Kanada fast Kultstatus erreicht. Aktuell spüren wir die globalen Probleme, zum Beispiel in den Containerhäfen. Es ist immer noch Thema, dass die Leergebindefässer in den den USA liegen bleiben, weil der Transport nicht richtig funktioniert.
Wie sieht die Energieversorgung der Brauerei aus?
Wir denken in Kreisläufen, haben bisher schon sehr viel in Wärmerückgewinnung investiert. Unsere Dächer tragen Fotovoltaik-Anlagen. Wir nützen auch Erdgas, haben jedoch bereits die Voraussetzungen geschaffen, dass wir im Falle des Falles auf Leichtöl umstellen könnten.
Wo sind Sie überall mit Teuerung konfrontiert?
In fast allen Bereichen: von der Energie bis zu den Glas-Lieferanten. Wir versuchen, die Preisentwicklung so gut es geht abzufedern.
Stiegl ist in Salzburg auch ein wichtiger Arbeitgeber.
Diese Rolle nehmen wir auch sehr ernst. Aktuell bauen wir gerade unmittelbar neben der Brauerei leistbare Mietwohnungen für Mitarbeiter. Es ist uns ein Anliegen, gerade beim Berufsstart zu helfen.
Ihr Zukunftsplan?
Auf Qualität und Vielfalt setzen und auf Mitarbeiter, die sich positiv abheben.
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