Brauchtum trotz Lockdown: Zurück zur Urform, rät der Experte
Adventzeit ist Brauchtumszeit. Und mit dem Entzünden der ersten Kerze beginnt auch ein wahrer „Brauchtum-Marathon“: Nikolaus, Christkind, Percht und Heilige-drei-Könige sind nur grobe Eckpunkte in dieser besonders dichten Zeit an Traditionen.
Doch wie vieles lässt Corona auch das Brauchtum nicht aus. So wird es wohl nach dem harten Lockdown nicht ganz so wie früher sein. Für den Brauchtumsexperten Wolfgang Lattacher der perfekte Zeitpunkt, um sich auf den Ursprung zurückzubesinnen.
Brauchtum kommt eigentlich – wie soll es anders sein – von brauchen. „Es ist ein seelisch geistiger Bedarf. Meistens entspringt Brauchtum aus einer höheren Macht, also Religion, und den Dingen des alltäglichen Lebens wie der Arbeit“, erklärt Lattacher.
Können Bräuche nicht ausgelebt werden, empfinden es Menschen als Mangel.
Gesellschaftliche Events, wie sie die vergangenen Jahre stattgefunden haben, seien aber oft nicht Sinn der Sache: „Momentan wird Brauchtum als große Gemeinschaftspflege verstanden. Natürlich ist es um viele Veranstaltungen schade. Die Urform geht aber in die Familie zurück“, sagt Lattacher.
Und mit etwas Kreativität könne man so auch heuer einige Bräuche im Privaten ausleben.
Jeder soll Beitrag leisten
Das Leichteste ist wohl der Adventkranz und der Adventkalender. Denn hierbei spielt die Anzahl der Personen absolut keine Rolle.
Ein Tipp vom Experten: Egal welcher Brauch, jeder in der Familie solle seinen Beitrag dazu leisten. So beschränkt sich der Adventkalender etwa schon lange nicht mehr nur auf Süßigkeiten. Eine Alternative wären Zettelchen mit netten Taten, die man einem anderen Familienmitglied verspricht.
Dieses Jahr habe man laut Lattacher zudem wieder Zeit, dem Ursprung auf den Grund zu gehen. Etwa der Frage, von wo der Adventkranz herrührt. Kindern könne man das mit Geschichten näherbringen.
Diese können auch an Feiertagen, die ins Haus stehen, hilfreich sein. Etwa am Tag der Heiligen Barbara am 4. Dezember – blühen die Barbarazweige zu Weihnachten auf, heißt das: Hochzeit und Segen stehen ins Haus.
Die heilige Barbara war eine frühchristliche Märtyrerin, die sich für Gleichheit zwischen Arm und Reich einsetzte und dafür hingerichtet wurde. Bei ihrer Gefangennahme trug sie einen Kirschzweig am Kleid, weshalb man am Barbaratag, dem 4. Dezember, Zweige von Kirschbäumen abschneidet und in eine Vase gibt. Blühen sie auf, soll dies Segen bringen.
"Regionale Spezialitäten"
Aber auch „regionale Spezialitäten“ kann man coronakonform feiern: Wie der Nikolaus nun doch ein Sackerl vor die Tür legen darf, könnte man das auch ähnlich beim Herbergsuchen umsetzen.
Die Bibelstelle, wo Josef und die schwangere Maria eine Herberge suchen, kennen wohl die meisten. Der Brauch des Herbergsuchens wird unterschiedlich gepflegt. Manche spielen die Herbergsuche in Form eines Schauspiels nach. Bei anderen wandert eine Statue der Gottesmutter oder der Heiligen Familie jeden Abend zu einem anderen Haushalt weiter.
Anstatt direkten Kontakt zu pflegen, stellt man die Statue der Heiligen Familie, die von Haushalt zu Haushalt getragen wird, einfach vor die Tür und trällert ein Lied.
Und im Notfall wäre ja da noch das Internet: „Brauchtum bewegt sich. Wenn wir heute über Internet Brauchtum feiern, steht das nicht im Widerspruch zur Tradition.“
Lattacher sieht aber auch eine Chance für Bräuche die am absteigenden Ast sitzen: „Früher haben die Leute Hauskrippen gebastelt, die bei privaten Weihnachtsandachten als Zentrum dienten.“ Oder auch die Krampuskarten.
Laut Experte wäre jetzt die Zeit, diesem schwindenden Brauch noch eine Chance zu geben: Krampuskarten wurden früher an Bekannte verschickt – oft an Personen, von denen man mehr als Freundschaft wollte. Die Postkarten gibt es noch in manchen Trafiken zu kaufen. Oft sind sie rot und haben lustige, teils anstößige, Motive darauf.
Dennoch muss man zugeben: Alles kann man nicht in den privaten Bereich verlagern, wie etwa den Ebenseer Glöcklerlauf (OÖ), der erstmals abgesagt werden musste.
Zu sorgen brauche man sich deswegen jedoch nicht, so der Experte: „Es gibt Bräuche, die ohnehin nur alle paar Jahre stattfinden. Der Brauch schwindet nicht gleich, nur weil er einmal nicht stattfindet. Die Menschen freuen sich dafür umso mehr auf das nächste Mal.“
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