Bischof Krautwaschl: „Ein Vertrauensverlust ist da“
Der Grazer Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl spricht über Krieg, Krisen und Kirche.
KURIER: Ostern ist das Fest, in dem das Leben über den Tod siegt, also auch das Fest der Hoffnung. Doch welche Osterbotschaft kann man in dieser Zeit als Bischof verkünden?
Wilhelm Krautwaschl: Da gibt’s mehrere. Für mich ist es ein Zeichen, dass sich so viele Leute am Kreuz sammeln, weil sie persönliche Leiden haben. Als Hoffnung, weil sie wissen, dass der, der da dargestellt ist, deutlich macht: Der Tod ist nicht das Ende des Lebens, sondern das Ende des Sterbens. Das ist unsere Botschaft, die wir nicht müde werden, als Christen hineinzusagen in diese Welt.
Papst Franziskus hat den russischen Angriff als „himmelschreiendes Unrecht“ kritisiert. Die offizielle Verurteilung des Vatikan fiel dagegen relativ vage aus. Müsste die Kirche nicht schärfer gegen Krieg auftreten?
Wir treten gegen den Krieg auf, und trotzdem ist er Realität. Das ist die eine Seite. Ich glaube, es gibt schon seit Jahrzehnten keinen anderen Mahner als den jeweiligen Papst. Nie wieder Krieg: Wenn ich denke, wie oft Johannes Paul II. das ausgesprochen hat. Und gleichzeitig ist es die Realität, nicht nur in der Ukraine momentan, im Jemen, in Syrien. Was in Afghanistan los ist, kann keiner sagen. Ich denke an Äthiopien, ich denke an den Terror in Nigeria. Das heißt für mich, uns als Christen treibt diese Zukunftsperspektive an: Liebe Leute, lasst euch ein aufeinander und schlagt nicht aufeinander ein. Das ist eine Perspektive, von der wir nicht müde werden, sie hineinzutragen in diese Welt. Aber wir müssen auch die Realität dieser Welt ernst nehmen.
Wie denken Sie über den Krieg in der Ukraine?
Ich bekomme jeden Tag Bilder vom Weihbischof aus Lemberg, wo es um nichts anderes als Leben mitten in diesen Herausforderungen geht. Ich denke daran, wie nach dem Zweiten Weltkrieg gefragt wurde: Kann man nach Auschwitz noch beten? Man kann nach Auschwitz noch beten, weil die Gefangenen in Auschwitz auch gebetet haben. Ich glaube, wir sollen die Hoffnung, die den Menschen ganz tief drin eingeschrieben ist, auch ernst nehmen.
Bischof Wilhelm
Am 16. April 2015 ernannte der Papst Wilhelm Krautwaschl zum 58. Diözesanbischof von Graz-Seckau, er ist Nachfolger von Bischof Egon Kapellari. Am 14. Juni 2015 wurde er im Grazer Dom zum Bischof geweiht
Promovierter Theologe
Wilhelm Krautwaschl, geboren 1963 in Gleisdorf, trat 1981 ins Priesterseminar ein und begann mit dem Theologiestudium, sowohl Promotion als auch Priesterweihe fanden 1990 statt. Krautwaschl war Kaplan, Pfarrer und Dechant in mehreren steirischen Pfarren, ab 2006 Regens des Bischöflichen Seminars Augustinum in Graz
Patriarch Kyrill stand sehr in der Kritik, weil er den Angriff Russlands auf die Ukraine moralisch gerechtfertigt hat.
Ich halte es da mit dem österreichischen Metropoliten, der das klar verurteilt hat. Aber ich kenne die inneren Vorgänge der russisch-orthodoxen Kirche nicht.
Wie bewerten Sie den Besuch von Bundeskanzler Nehammer bei Wladimir Putin?
Gemischte Gefühle habe ich auch. Man muss halt die Gesprächskanäle nützen, die man hat. Wenn der Papst seinerzeit zu Fuß in die russische Botschaft des Vatikans gegangen ist, dann will das auch was heißen. Welches Staatsoberhaupt macht das? Also das heißt, Gesprächskanal offenhalten, aber mit welchen Erwartungen hineingehen? Es ist auf der einen Seite ein großes Zeichen, aber auf der anderen Seite: Erwarten konnte man sich dabei nichts.
In der Bischofskonferenz sind Sie Referatsbischof für Bildung. Wie erklärt man einer Generation, die Krieg nur aus Geschichtsbüchern kennt, das aktuelle Geschehen – derselben Generation, die mit Pandemie und Distance Learning umgehen musste?
Das müssten Sie die Lehrer fragen. Ich habe alle Achtung vor den Lehrpersonen. Aber wenn ich höre, wie die Jugendpsychiatrien momentan voll sind, dann stelle ich mir schon Fragen. Gleichzeitig weiß ich aus Gesprächen mit dem 95-jährigen Altgeneralvikar der Diözese, was das jetzt mit ihm macht. Er hat erzählt, er hat drei Tage nicht schlafen können, weil auf einmal seine Kriegserfahrungen wieder hochgekommen sind. Gleichzeitig ist das für mich aber auch ein Aufruf für die Gesellschaft: Geht versöhnlich miteinander um, in den Beziehungen, in der Gesellschaft, geht aufeinander zu!
Stichwort Corona: Die Bischofskonferenz hat sich ja unter schwerem Ringen und unter viel Kritik aus den eigenen Reihen für die Impfpflicht ausgesprochen …
Nein, das haben wir nicht. Wir haben gesagt, dass es dem Staat aufgrund des Gemeinwohls als Ultima Ratio zusteht, ein Gesetz zur Impfpflicht zu erlassen. Wenn der Staat meint, dass nichts anderes mehr hilft als eine Impfpflicht, dann kann er das machen. Aber das ist keine Zustimmung unsererseits.
Wie sehen Sie den Zickzack-Kurs der Regierung in der Bewältigung der Pandemie?
Da halte ich es ganz mit Kardinal Christoph Schönborn: Zickzack macht das Virus und nicht die Regierung. Und zweitens: Ich möchte nicht in der Verantwortung stehen, da zu wissen, was nehme ich aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen, um eine Entscheidung zu treffen. Das war ja bei uns auch so. Uns ist immer wieder vorgeworfen worden, dass wir mit unseren Maßnahmen dem Staat zu hörig waren. Aber Entschuldigung, sind wir Staatsbürger oder nicht? Macht das Virus halt vor der Kirchentür oder nicht?
Man würde doch vermuten, dass sich Menschen dem Glauben in Krisenzeiten mehr zuwenden. Doch laut Umfragen sehen heute 70 Prozent der Österreicher einen Bedeutungsverlust der Kirche, 1986 nur 35 Prozent.
Es hat sich ja auch in der Welt einiges getan seither. Dass ein Vertrauensverlust da ist, brauchen wir nicht debattieren, das ist klar. Aber das sind eben verschiedene Dinge, ich frage mich ja selbst kritisch: Ist das, von dem wir ausgehen, seinerzeit, tatsächlich das, was wir wollen? Wir, also Vertreter der Kirche, machen den Mund auf und alle hupfen? Ist das wirklich das Ideal?
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