Bergunke bringt Salzburger Stromtrasse ins Wanken
Kommende Woche geht es in Wien ans Eingemachte. Am Mittwoch werden Beamte der EU-Kommission im Bundeskanzleramt mit Vertreten der Länder und des Bundes am Verhandlungstisch zusammentreffen. Es geht um einen 161 Seiten dicken Forderungskatalog der EU. Das Papier, das dem KURIER vorliegt, listet penibelst Gebiete auf, die als Natura-2000-Zonen (von der EU zum Schutz gefährdeter Pflanzen und Tiere geforderte Areale, Anm.) in Frage kommen. Es werden in ganz Österreich Regionen mit namhaften Vorkommen von 100 Schutzgütern aufgeführt.
Gegen die Republik läuft bereits ein EU-Vertragsverletzungsverfahren, weil die Bundesländer seit Jahren verabsäumt haben, ausreichend Schutzgebiete für das europäische Natura-2000-Netzwerk zu nominieren. Der Generaldirektion Umwelt in Brüssel ist deshalb, wie berichtet, der Geduldsfaden gerissen. Die Forderungsliste könnte nun Einfluss auf das größte laufende UVP-Verfahren Österreichs haben.
Derzeit wird das Projekt einer vom Land Salzburg 2015 genehmigten Starkstrom-Trasse quer durch das Bundesland (siehe unten) vom Bundesverwaltungsgericht geprüft. Die Gegner der "Salzburgleitung" argumentieren damit, dass das Gebiet des Nocksteins, der auf der Trasse liegt, wegen mehrerer dort lebender gefährdeter Tierarten als Europaschutzzone auszuweisen wäre.
Stark gefährdet
Das sieht offenbar auch die EU-Kommission so. Sie ortet in Salzburg unter anderem einen "erheblichen weiteren Nachnominierungsbedarf" für die auch als Bergunke bekannte Gelbbauchunke. Sie ist vom Aussterben bedroht. Einen geeignete Schutzraum verorten die EU-Experten am Nordhang des Nocksteins im Gemeindegebiet von Koppl. Und auch der ebenfalls stark gefährdete Kammmolch ist dort verbreitet.
Für den Vorarlberger Rechtsanwalt Adolf Concin ist das keine Überraschung, wie er auf Anfrage erklärt: "Die EU-Kommission mahnt konkrete Gebiete im Nockstein-Gaisbergareal ein, die von der Salzburger Landesregierung längst als Schutzgebiete nominiert werden hätten müssen." Der Jurist aus Bludenz vertritt die Gemeinden Eugendorf und Koppl im Kampf gegen den Bau der oberirdischen Freileitung.
Der nach Ansicht von Concin laut EU-Recht unumgängliche Schutz von Unke, Molch und auch mehrerer Fledermausarten in den genannten Gebieten am Nockstein ist auch Gegenstand der Beschwerde des Anwalts beim Bundesverwaltungsgericht. "Auf Basis der neuen Erkenntnisse werden wir eine Wiedereröffnung des Beweisverfahrens beantragen", erklärt Concin im Hinblick auf den Forderungskatalog.
Da es sich beim Trassenraum am Nockstein nun um ein potenzielles und von der EU eingemahntes Natura-2000-Gebiet handle, dürften keine Eingriffe zugelassen werden, die eine ernsthafte Verschlechterung des ökologischen Werts bedeuten. "Nachdem die 380-KV-Salzburgleitung einen solchen Eingriff darstellt, besteht keine Genehmigungsfähigkeit", ist Concin überzeugt.
Groll der Länderchefs
Den Landeshauptleuten ist das europäische Umweltrecht offenbar zunehmend ein Dorn im Auge. In einem an die Verhandler der neuen Koalition gerichteten Positionspapier fordern sie laut Bericht von Ö1, dass die EU im Bereich der Umwelt Kompetenzen an die Mitgliedsstaaten zurücküberträgt. Tirols Landeshauptmann Günther Platter hat angesichts des EU-Forderungskatalogs bereits angekündigt, dass es in seinem Bundesland keine weiteren Schutzgebiete geben werde. Vor Ort wisse man am besten, wo die Natur geschützt werden müsse, meint er.
Die umstrittene Hochspannungsleitung von Elixhausen über das Salzachtal zum Netzknoten Tauern in Kaprun ist der geplante Lückenschluss im österreichweiten 380-kV-Ring. Doch die Gegner "eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte der Gegenwart", wie die Betreibergesellschaft APG (Austrian Power Grid, eine Verbund-Tochter, Anm.) die Salzburgleitung bezeichnet, torpedieren das Vorhaben seit Jahren. Die geplante Trassenführung treibt die betroffenen Anrainergemeinden auf die Barrikaden. Besonders groß ist der Widerstand in Eugendorf und Koppl im Flachgau. Letztere bangt um ein beliebtes Naherholungsgebiet: Den Nockstein. Der Felszinken befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Gaisberg – dem Hausberg der Stadt Salzburg.
Ursprünglich gab es Pläne, die Trasse zwischen Gaisberg und Nockstein hindurchzuführen – auch Salzburger Gemeindegebiet wäre davon betroffen gewesen. Vor sechs Jahren veranlasste das den mittlerweile abgetretenen Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) zu politischem Aktionismus: Er seilte sich vom Mönchsberg ab, um ein Protestplakat auszurollen. Der Widerstand war erfolgreich: Die Pläne wurden von der APG wenige Monate später wieder verworfen. Stattdessen soll die Trasse ausschließlich über das Gemeindegebiet von Koppl am Nockstein vorbeiführen.
Land sah kein Hindernis
Dass es sich beim Gebiet rund um die markante Erhebung um ein potenzielles Natura-2000-Schutzgebiet handelt, damit setzte sich auch die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) des Landes Salzburg in erster Instanz intensiv auseinander. Die Beamten kamen allerdings zu dem Schluss, dass eine Ausweisung des betroffenen Areals als Schutzgebiet nicht notwendig sei – "aber selbst wenn diese Notwendigkeit gegeben wäre, wäre dies für das geplante Freileitungsprojekt irrelevant", heißt es im UVP-Bescheid. "Der Sachverständige hat verneint, dass es ein schwerwiegender Eingriff für die betroffenen Arten wäre", begründet Stefan Tschandl, Sprecher der ressortzuständigen Landesrätin Astrid Rössler (Grüne). Nur eine Verschlechterung der Lebensbedingungen wäre ein Hinderungsgrund gewesen.
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