Ukraine-Krieger: Behörden wurden erst spät aktiv

Der 25-jährige Vorarlberger Benjamin F.
Erst nach einem KURIER-Bericht wurde gegen den Vorarlberger Kämpfer ermittelt.

Der 25-jährige Vorarlberger Benjamin F. wurde am Wochenende in Polen auf dem Weg in die Ukraine verhaftet, ihm werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Warum er erst jetzt von den polnischen Behörden festgenommen wurde, ist unklar.

Bereits Mitte Dezember des Vorjahres betrat Benjamin F. die österreichische Botschaft in Kiew. Er kam von der ostukrainischen Front, fühlte sich dort verfolgt und wollte zurück nach Österreich. So jedenfalls erzählt er das; weder die Botschaft in Kiew noch das Außenministerium in Wien waren für eine Stellungnahme erreichbar.

Auf freien Fuß gesetzt

Am 16. Dezember des Vorjahrs landete er am Flughafen Wien-Schwechat und wurde dort von Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung empfangen. Es sei ein kurzes Gespräch gewesen, erzählte F. dem KURIER bei einem Interview Anfang Jänner; danach wurde er auf freien Fuß gesetzt, fuhr über München ins Vorarlberger Kleinwalsertal, wo er bis Mitte Jänner im Haus seiner Mutter lebte.

Bereits seit 2014 hatte er Medien im In- und Ausland Interviews über seine Kriegserfahrungen gegeben und war den Behörden bekannt. Aber erst zwei Tage nachdem der KURIER am 15. Februar das im Jänner geführte Interview mit Benjamin F. veröffentlichte, wurden auch die Behörden aktiv: Am 17. Februar erging ein Bericht des nö. Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt. Wenig später, am 22. Februar, wurde seitens der Behörde ein europäischer Haftbefehl erlassen. Auf "Kriegsverbrechen gegen Personen" nach Paragraf 321b steht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Vorgeworfen wird ihm, Personen, die sich bereits ergeben hatten, erschossen zu haben. Aus "ermittlungstaktischen Gründen" gibt Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, keine Details zur Beweislage bekannt.

Zum Zeitpunkt des Haftbefehls hatte F. jedenfalls bereits das Land verlassen und war in der Schweiz, arbeitete dort auf Bauernhöfen. Dem KURIER teilte er Mitte März mit, er wolle zurück zum österreichischen Bundesheer und Unteroffizier werden.

Zurück an die Front

Wenig später änderte er offenbar seine Meinung, wie ein ehemaliger Frontkamerad von F. erzählt: F. habe ihm vor rund zwei Wochen gesagt, dass er zurück in die Ukraine wollte. Den Haftbefehl gegen ihn erwähnte F. seinem ehemaligen Kameraden gegenüber nicht; eventuell wusste er nichts darüber.

F. kämpfte neben der Ukraine auch im Irak und in Syrien gegen den IS. In der Ukraine schloss er sich sowohl den Milizen der Partei Rechter Sektor – im Gegensatz zu den Angaben eines Sprechers der Partei – als auch der regulären ukrainischen Armee an. In seiner Zeit beim Rechten Sektor waren teilweise drei weitere Österreicher mit F. an der Front. Gegen sie wird aktuell nicht ermittelt, ihre Identitäten sind den Behörden unbekannt.

Es gäbe in seinem Fall zwei rechtliche Dimensionen, „jene der Staatsbürgerschaft und jener sonstiger rechtlicher Konsequenzen“, sagt der Völkerrechtsexperte Franz Leidenmühler.

Die Teilnahme an internationalen Konflikten sei „an sich nicht verboten, es hat nur Konsequenzen für die Staatsbürgerschaft, wenn man unter fremden Truppen kämpft“, erklärte Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt.

F. hat für die Kurden gekämpft, die gar keinen Staat haben, und auch von der Ukraine hat er keine Staatsbürgerschaft erhalten – er wäre ohne die österreichische Staatsbürgerschaft staatenlos, sie kann ihm deshalb nicht entzogen werden.

Zwar wäre die Mitgliedschaft bei einer terroristischen Vereinigung strafbar, aber keiner der Verbände, für die er gekämpft hat, gelten als solche. Selbst wenn er im Gefecht jemanden getötet haben sollte, „wäre das Notwehr“, sagt Leidenmühler. Kriegsverbrechen fallen natürlich nicht unter Notwehr.

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