Austro-Dschihadisten reisen in den Ukraine-Krieg
Die Fragen könnten an ein Reisebüro gerichtet sein: Was sollte man für den geplanten Trip einpacken? Welche Route ist die schnellste? Doch sind es Tipps, wie man am besten in den Krieg zieht. Einen Krieg, der nicht das eigene Land betrifft, sondern in dem es darum geht, Kampferfahrung zu erlangen und zum Vorbild zu werden.
Die Rede ist von Posts und Tweets, die seit einigen Tagen verstärkt in einschlägigen Foren von Islamisten in Österreich herumgeistern.
Meist kommen sie von jungen Männern, die bereits als radikalisiert gelten und ihre Wurzeln in Tschetschenien haben. In den Chats tauschen sie sich darüber aus, wie sie am schnellsten in die Ukraine gelangen, um gegen Russland zu kämpfen. Als sogenannte „Foreign Terrorist Fighters“ (FTF).
Verfassungsschutz verschärft Überwachung
Wie ernst diese Entwicklung in heimischen Sicherheitskreisen genommen wird, belegt eine Arbeitsgruppe, die laut KURIER-Informationen in den kommenden Tagen eingerichtet werden soll. Durch die Vernetzung der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) mit den Landesämtern für Verfassungsschutz (LVT) soll das Wissen über die Kriegs-Reisenden gebündelt werden.
Denn eines hat die Vergangenheit bewiesen: Wer als kampferprobter Dschihadist in sein Heimatland zurückkehrt, stellt eine erhöhte Gefahr für die interne Sicherheit dar. Einerseits würde die Bereitschaft für Anschläge in der Heimat steigen. Andererseits gelten Rückkehrende in der Dschihadisten- bzw. Islamistenszene als Vorbilder, was die Rekrutierung neuer Mitglieder erleichtern würde, wie es im Verfassungsschutzbericht heißt. Auch der Attentäter des Terroranschlags von Wien hatte vor der Bluttat versucht, nach Syrien auszureisen.
Radikale Einstellung wird zu gewalttätigem Handeln
Apropos Syrien: Dschihad-Reisende erlangten vor allem durch Reisen ins syrisch-irakische Kriegsgebiet eine breitere Bekanntheit. Nach Syrien erfolgte die Ausreise dabei meist über die Türkei und dann mit Schleppern weiter an die syrische Grenze. Ein aufwändiges Unterfangen. Der Krieg in der Ukraine, die von Wien aus schneller zu erreichen ist als Bregenz, scheint dagegen ein leichtes Ziel, wenn aus einer radikalen Einstellung gewalttätiges Handeln werden soll.
Zwei Lager
„Wir beobachten diesen Trend ganz genau in den sozialen Netzwerken. Generell muss dabei zwischen zwei Gruppen unterschieden werden“, erklärt Moussa Al-Hassan Diaw, der Leiter der Organisation Derad, die sich der Extremismusprävention und Deradikalisierung Betroffener – etwa in Haftanstalten – verschrieben hat.
Einerseits gebe es jene Gruppe, die eine Einmischung in den Ukraine-Krieg ablehnt. „Weil er zwischen zwei nicht muslimischen Herrschern stattfindet und somit keine islamische Grundlage für eine Beteiligung bietet“, erklärt Diaw. Demgegenüber stehe die zweite Gruppe: „Meist Tschetschenen aus dem Kaukasus Emirat, die in Russland ganz klar den Feind sehen.“ Nachdem Wladimir Putin zu Beginn seiner Amtszeit Tschetschenien in Schutt und Asche bomben ließ.
Sie sind nicht mit jenen Tschetschenen zu verwechseln, die seit Tagen für Schlagzeilen sorgen: Jenen gefürchteten Kämpfern, die Ramsan Kadyrow, der Vertraute von Wladimir Putin, der Tschetschenien nun regiert, für eine Invasion in die Ukraine entsenden will. 70.000 sollen es sein. Allerdings schließen Insider auch nicht aus, dass Austro-Dschihadisten sich ebenso der Kadyrow-Truppe anschließen könnten. Was zählt, sei die Möglichkeit zum Kampf.
Staatsbürgerschaftsentzug droht
Doch wie viele dieser Austro-Dschihadisten könnten sich von Österreich auf den Weg in die Ukraine machen? Laut Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2020 zählt die Alpenrepublik zu jenen Ländern mit einer - an der Einwohnerzahl gemessenen - überproportional hohen Anzahl an „Foreign Terrorist Fighters“. Bis zum Jahr 2020 waren es insgesamt 334 Personen. Um einige wenige mehr dürften es bis 2022 gewesen sein. Rund 40 Prozent davon sollen aus der russischen Förderation stammen.
Sie könnten bei Ihrer Rückkehr aus der Ukraine allerdings die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren. Eine Verurteilung würde dann nicht mehr nach dem Terrorparagrafen erfolgen (Paragrafen 278a, 278 b StGB: Beteiligung an einer kriminellen Organisation bzw Terroristischen Vereinigung), sondern nach Paragraf 320 StGB: Verbotene Unterstützung von Parteien bewaffneter Konflikte. Strafrahmen: Bis zu 5 Jahre Haft.
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