Ausstellung "Szenen einer Ehe": Als Wien und Niederösterreich vereint waren

Ausstellung "Szenen einer Ehe": Als Wien und Niederösterreich vereint waren
Seit 100 Jahren gehen die Bundesländer getrennte Wege. Zum „Scheidungsjubiläum“ lädt das Museum NÖ mit einer Audiotour zur Paartherapie.

„Beziehungsstatus? Kompliziert, würde ich sagen“, fasst Christian Rapp, wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte in St. Pölten, das Verhältnis zwischen Wien und Niederösterreich vor etwas mehr als hundert Jahren zusammen. „Einerseits wollte Wien sich selbstständig machen, andererseits wollte man am Land nicht von den ,Großkopferten’ aus Wien regiert werden“, hegten laut Rapp beide Bundesländer einen Trennungswunsch.

Kein endgültiger Schlussstrich

Mit 1. Jänner 1922 war die „Scheidung“ mit dem Inkrafttreten des sogenannten Trennungsgesetztes offiziell. Ein endgültiger Schlussstrich wurde damit aber nicht gezogen: „Bis heute bleiben Wien und Niederösterreich eng verflochten“, erklärt Rapp. Wie eng, zeigt noch bis zum 5. Jänner 2023 die Schau „Szenen einer Ehe“ im Museum NÖ. In drei- bis vierminütigen Minipodcasts führt der Themenrundgang durch die Dauerausstellungen des Hauses der Geschichte sowie des Hauses für Natur.

Ausstellung "Szenen einer Ehe": Als Wien und Niederösterreich vereint waren

„Das Verbindende und Trennende stellen wir bereits aus. Wir bieten mit den kreativen Storys aber neue Zusatzinformationen“, erklärt Kuratorin Margarethe Szeless das Konzept. Vor dem großen Gemälde des niederösterreichischen Landtags, das den Wiener Bürgermeister Karl Lueger am Rednerpult zeigt, wird beispielsweise die Geschichte erzählt, warum Floridsdorf einst fast zur Hauptstadt Niederösterreichs geworden wäre.

Blondel und Löwenherz

In einer anderen Audiosequenz singt Blondel, der Troubadour aus der gleichnamigen mittelalterlichen Sage, von der Gefangenschaft Richard Löwenherz’ in der Burg Dürnstein.

Für jede der 22 Stationen wurden ein passendes Bild und ein entsprechender Text ausgewählt, die die ausgestellten Objekte wieder in einen neuen Kontext setzen. Um die Geschichten näher an den Besucher heranzuholen, werden oftmals Originaltöne eingespielt. Zitate aus Zeiten, wo diese noch nicht aufgezeichnet werden konnten, werden von Schauspielern nachgesprochen.

Immer wieder erzählen Stationen auch Heiteres oder Anekdotisches: „Es ist schon überraschend, dass ausgerechnet das Lied ,Wien, Wien, nur du allein!’ von einem niederösterreichischen Landesbeamten komponiert wurde“, sagt Kuratorin Marion Krammer und schmunzelt.

Stadt- und Landflucht

In der neuen Ausstellung „Wien und Niederösterreich. Szenen einer Ehe“ entdeckte Krammer übrigens auch ihre eigenen Spuren wieder: „Denn ich bin im Waldviertel aufgewachsen und nach dem Studium in Wien picken geblieben“, erzählt sie. So geht es vielen anderen Niederösterreichern, aber auch Wienern.

Ausstellung "Szenen einer Ehe": Als Wien und Niederösterreich vereint waren

In Interviews, die an jeweils vier Standorten in beiden Bundesländern durchgeführt wurden, kommt auch das Thema Stadt- und Landflucht zur Sprache. Damit bietet die Ausstellung an ihrer letzten Station auch einen Bezugspunkt zur Gegenwart.

Die Geschichten des audiogeführten Themenrundgangs können übrigens mittels QR-Code nicht nur in der Ausstellung abgerufen werden. Mit der App des Museums NÖ können die Informationen zum Nachhören mit nach Hause genommen werden. Vorbild dieser Ausstellungsform war laut Szeless das British Museum: Dass nun auch in St. Pölten solche Wege der Geschichtsvermittlung eingeschlagen werden, sei eine Besonderheit, wie die Kuratorin erklärt.

Alle Nachrichten aus St. Pölten jeden Montag im Postfach mit dem KURIER St. Pölten-Newsletter:

Kommentare