Auslandseinsatz: Bundesheer-Ausbildner vor Gericht
Camp Butmir, Sarajewo, Bosnien-Herzegowina, Herbst 2020. Eine Kompanie des österreichischen Bundesheeres wird für den Einsatz ausgebildet. Infanteristen, Schützen am Maschinengewehr. Junge Österreicher, bunt zusammengewürfelt aus allen Teilen der Welt. Ausgebildet für den Einsatz im Krisengebiet.
Die jungen Soldaten, teils auslandserfahren, teils direkt vom Grundwehrdienst, etwa bei der Garde, werden später die Aussagen eines Ausbildners schriftlich festhalten und dem Heerespsychologen übergeben. Daraus wird ein Fall für das Gericht. Auf der Anklagebank landet ein 31-jähriger Stabswachtmeister aus Wien. Zehn Zeugen, Teilnehmer der Ausbildung an diesem Auslandseinsatz, sind geladen.
"Schlage euch Schädel ein"
"Ich könnte auch eine scharfe Munition aus dem Container holen, repetieren, sowie die scharf geladene Waffe an die Köpfe der Auszubildenden halten und abdrücken, damit die Auszubildenden einmal einen anständigen Druck verspüren", soll der Angeklagte gegenüber seinen Soldaten gesagt haben. Und: "Ich schlage euch die Schädel ein, weil ich das darf. Ich habe vom Psychologen bestätigt bekommen, dass ich ein Aggressionsproblem habe." Weiters dürfte er angedroht haben, die Übung mit scharfer Munition durchführen zu lassen: "Wenn ihr mir dann ins Bein schießt, schieße ich euch in den Schädel." Außerdem soll es diverse Schikanen gegeben haben, etwa einen Marsch mit Lkw-Reifen.
"Mission Sunshine"
Der Angeklagte bestreitet im Gespräch mit dem KURIER im Beisein seines Anwalts, derartige Äußerungen getätigt zu haben, und niemand hätte Angst vor ihm gehabt. Er bekennt sich nicht schuldig. Fraglich sei auch, warum die Vorwürfe erst Monate später erhoben worden seien. Vor der Richterin spricht er von einer "Mission Sunshine", die manche Auszubildende im schönen Spätherbst in Bosnien absolvieren wollten, ohne harte Ausbildung. "Die wollen eine ruhige Kugel schieben, Party machen und verstehen nicht, dass sie eine Ausbildung machen müssen."
Die Erinnerungen an die Tage im bosnischen Herbst 2020 sind unterschiedlich. Ein Soldat, der schon zum sechsten Mal auf Auslandseinsatz war, gehört zur Speerspitze jener Gruppe, die die Vorwürfe erhoben hatten. Er schildert der Richterin, dass es immer wieder zu überzogenen Äußerungen gekommen sei. "Wir liegen in der Wiese im Dreck, ich hatte ein geprelltes Schlüsselbein, andere hatten das erste Mal ein Maschinengewehr in der Hand. Warum muss das so verschärft werden?"
"Kommandanten halten zusammen"
Manchmal sei der Ausbildner auch witzig gewesen, eigentlich auch gut: "Und dann kommen plötzlich emotionale Aggressionsausbrüche." Dabei habe er sich höchst unwohl gefühlt. Irgendwann sei es zu viel gewesen, er habe sich die dienstrechtlichen Vorschriften angeschaut und gemeinsam mit anderen Soldaten Übertretungen niedergeschrieben. Direkt Kritik zu üben hätte sich kaum jemand getraut, Unterstützung von Zugsführern habe es nicht gegeben: "Die Kommandanten halten zusammen."
Nach einem ersten Gespräch mit dem Psychologen sei die Problematik abgeflaut. "Ein Schuss vor den Bug", meint der Zeuge, "dann ist es ein bisschen besser geworden." 27 von 30 Mitgliedern des Zugs hatten ihre Unterschrift unter eine Liste mit Vorwürfen gegen den angeklagten Unteroffizier unterschrieben. Weil es wieder zu aggressiven Vorfällen gekommen sei, wurde der Heerespsychologe neuerlich konsultiert. Als das internationale Kommando über die Vorgänge in Kenntnis gesetzt wurde, erinnert sich der Zeuge, sei die Sache dann "zu einer großen Geschichte geworden", Erhebungen der Militärpolizei inklusive. Bis zur Strafanzeige.
Auf Durchzug geschaltet
Anders die Erinnerungen eines anderen Soldaten. "Beim Bundesheer darf es schon mal ein rauer Ton sein, ich habe bei manchen Sachen auf Durchzug geschaltet, weil es einfacher war", schilderte der Zeuge. Ein Beispiel, das viele an die eigene Zeit beim Bundesheer erinnern könnte, brachte der Soldat zur Sprache: "Wir hätten um 8 Uhr in Uniform am Gang sein sollen", erinnert er sich, dann wäre der Tag mit einem leichten Dienst abgelaufen. Zwei Burschen hätten das nicht geschafft. "Also haben wir einen Marsch machen müssen."
Was in Ordnung sei - schließlich sei es ja nicht so schwer, um 8 Uhr fertig zu sein. "Mitgefangen, mitgehangen", quittierte der Staatsanwalt mit einem Verweis auf die eigene Bundesheerzeit. In Richtung des Angeklagten war dieser Zeuge jedenfalls überzeugt: "Sein Führungsverhalten hat gepasst. Es gehört dazu, dass es lauter wird. Dass er ausgezuckt ist, habe ich wirklich nicht mitbekommen." Militärisch war dann auch der Abschluss der Verhandlung, die zur Einvernahme weiterer Zeugen auf Mitte März vertagt wurde. Die Richterin zum Angeklagten: "Haben sie noch etwas zu sagen?" - "Negativ!"
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