Ausgelöscht: Der Mord an Maria Piribauer

Der Mord passierte auf einem Hof in Niederösterreich. Ein Marterl erinnert an das Opfer.
Am 26. November 2010 wird Maria Piribauer von einem Unbekannten in ihrem Zuhause erstochen. Doch seltsamerweise kannte das Opfer niemand.

Es war am 26. November 2010 kurz nach Mittag, als zwei Brüder im niederösterreichischen Kirchberg am Wechsel einen erschreckenden Fund machten. In der Stube des gemeinsamen Vierkanthofs lag ihre Schwester am Boden. Erstochen in einer Blutlache. Das Haus durchwühlt. Die damals 71-jährige Maria Piribauer war eigentlich nur ein paar Stunden alleine zu Hause. Die Brüder waren in der Früh aufgebrochen, um den gemeinsamen Wald unweit des abgelegenen Bauernhofs zu bewirtschaften. Aber als sie zurückkamen, lebte ihre Schwester nicht mehr. Vom Täter fehlt bis heute jede Spur.

Die Einsiedlerin

Maria Piribauer führte ein zurückgezogenes Leben. Bis auf ihre beiden Brüder hatte sie kaum Kontakt zu anderen Menschen. Es gibt keine Kinder. Auch verheiratet war sie nie. Fragt man in der 2.500-Einwohner-Gemeinde Kirchberg am Wechsel nach ihr, findet man niemanden, der sie näher gekannt hat. Geschweige denn weiß, wie sie ausgesehen hat. Nicht einmal Bürgermeister Willibald Fuchs. „Ich habe sie immer nur von Weitem gesehen und nie mit ihr geredet“, sagt er. Vielleicht ist das der Grund, warum der Mord recht schulterzuckend kommentiert wird. „Im ersten Moment war ein bisschen Aufregung da. Aber nach einer halben Stunde hat sich das gelegt.“

Alles, was man von dem Opfer weiß, ist: Sie verbrachte ihr ganzes Leben in der kleinen Ortschaft, arbeitete als Krankenschwester und zog in der Pension zu ihren Brüdern auf den Hof, der abgelegen auf einem Berg liegt. Keine Freunde, kein Verein, keine Kartenrunde, nichts.

Lediglich einer ihrer Brüder war regelmäßig im Wirtshaus. Auch am Tag der Tat. „Er ist mit seinem Bruder aufgetaucht, nachdem Frau Piribauer ermordet worden ist, weil sie das Haus nicht mehr betreten durften. Mit blutigem Hemd sind sie am Stammtisch gesessen“, erinnert sich Karl Donhauser, Wirt im „Grüner Baum“.

Warum also sollte jemand eine ältere Einsiedlerin ermorden, die völlig unbescholten war? Ein mögliches Motiv stand für die Ermittler recht bald nach der Tat im Raum. Maria Piribauer hatte einen Tag vor ihrem Tod eine größere Summe Bargeld abgehoben. Denn obwohl sie ein einfaches Leben führte, soll sie an die 200.000 Euro angespart haben. „1.000 Euro des abgehobenen Betrages fehlten nach der Tat“, sagt Erich Habitzl von der zuständigen Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt. Sie vermuteten, dass der Hof deshalb durchsucht worden sei. Andererseits wurden mehrere Sparbücher am Tatort zurückgelassen. Wo der Rest des Geldes verblieben ist, ist unklar.

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Der Waldmensch

Kurz danach hatten die Ermittler jedenfalls einen ersten Verdächtigen im Visier: Friedrich O., ein Freigänger der Justizanstalt Graz-Karlau. Von den Medien „Waldmensch“ genannt. Der damals 48-Jährige saß wegen Einbruchsdelikten im Gefängnis, konnte es aber zeitweise verlassen. So auch sechs Tage vor dem Mord an Maria Piribauer, am 20. November 2010. Dieses Mal aber kehrte er von dem Freigang nicht zurück und flüchtete.

Noch am selben Abend wurde in einem Grazer Laufhaus eine Prostituierte von einem Mann lebensgefährlich verletzt. Er schlug ihr mit einem Bügeleisen auf den Kopf, drosselte sie mit dessen Kabel und verletzte sie mit einem Messer. Videos der Überwachungskamera zeigten, dass der Täter Friedrich O. war. Da der Mann sich schon früher immer wieder im Wechselgebiet aufhielt und dort tatsächlich im Wald unter Holzstößen hauste, fiel der Verdacht auch im Fall Piribauer auf ihn. Die Sachbeweise gegen ihn reichten aber nicht aus. Die Spur verlief ins Nichts.

Daraufhin gerieten Gerhard R. und seine Partnerin Maria R. ins Visier der Ermittler. Als fahrende Händler verkauften sie Haushaltsgeräte, Geschirr und andere Alltagsgegenstände in der Gegend.

Die DNA von Gerhard R. wurde auf Maria Piribauers Geldbörse gefunden, allerdings handelte es sich bloß um eine DNA-Mischspur, die nicht aussagekräftig genug ist, wie DNA-Experte Franz Neuhuber bestätigt: „Allen Mischspuren ist gemeinsam, dass sie nicht die DNA von einer, sondern von mehreren Personen enthalten. Je mehr Personen in einer Mischung enthalten sind, umso schwieriger wird die Interpretation und umso niedriger ist auch die Aussagekraft, weil die Wahrscheinlichkeit für eine zufällige Übereinstimmung in einer Mischung sehr stark ansteigt.“ Da stoße die Wissenschaft an ihre Grenzen.

Ausgelöscht: Der Mord an Maria Piribauer

Die Brüder Franz und Josef fanden ihre Schwester tot in der Stube des gemeinsamen Bauernhofs.

Die Zeuginnen

Die Ermittler fassten aber wieder Hoffnung, als sich zwei Zeuginnen meldeten, die am Tag der Tat jeweils einen verdächtigen Mann in der Nähe des Vierkanthofes gesehen hatten. Nach einer der Beschreibungen fuhr er in einem VW Jetta in Richtung des Hauses. Und tatsächlich: Gerhard R. besaß zu dieser Zeit ein Auto dieser Marke und dieses Typs.

Die andere Zeugin sah einen Mann auf dem Weg spazieren, der vom Bauernhof wegführt. Er habe sich nach ihren Angaben auffällig von ihr weggedreht. Jedoch wurden die Ermittler auch diesmal enttäuscht. Denn keine der beiden Zeuginnen konnte Gerhard R. als jenen Mann identifizieren, den sie jeweils gesehen hatten.

In den Jahren nach dem Mord gerieten noch eine Reihe anderer Verdächtiger in den Fokus der Ermittlungen. So beleuchtete man einen Nachbarn, der angeblich finanzielle Probleme hatte. Einer der Brüder wurde ebenso intensiv befragt. Auch eine rumänische Bettlergruppe wurde in Betracht gezogen, doch in keinem der Fälle hat sich der Verdacht je erhärtet.

Wer hat Maria Piribauer mit vier Messerstichen brutal ermordet? Warum hat sie am Tag vor der Tat plötzlich einen hohen Geldbetrag abgehoben? Wieso kannte die Frau niemand? Mittlerweile ist fast die ganze Familie Piribauer verstorben. Die Brüder sind tot, auch der Nachmieter des Hauses lebt nicht mehr.

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Die Unbekannte

In dem Krankenhaus, in dem sie gearbeitet hatte, gibt es niemanden mehr, der etwas über sie erzählen kann. Es scheint, als wäre sie eine Unbekannte in einem kleinen Ort gewesen, deren Namen zwar jeder kannte, aber kaum jemand näher mit ihr zu tun hatte. Es gibt nicht einmal ein Foto der Ermordeten.

Heute steht vor dem verlassenen Bauernhof ein Marterl zum Gedenken an Maria Piribauer. Darin eine Statue der Jungfrau Maria, umrahmt von Blumen aus Plastik. In Kirchberg am Wechsel will man aber eher vergessen als erinnern. Und auch die Suche nach dem Täter scheint hier kein Anliegen. „Was ändert es, wenn man den Mörder findet? Die Neugier ist befriedigt, aber leben wird sie nicht mehr“, meint Bürgermeister Fuchs. Das österreichische Strafgesetzbuch sieht das anders. Denn Mord verjährt nicht.

Hinweise bitte per Mail an dunklespuren@kurier.at oder an das Landeskriminalamt Niederösterreich unter 059133-30 3333

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