Armutsgrenze: Alleinerzieherin kauft im Sozialmarkt ein

Armutsgrenze: Alleinerzieherin kauft im Sozialmarkt ein
„Wenn ich mir Geld nicht einteile, kann ich nicht überleben“, sagt die 36-jährige zweifache Mutter.

Ljiljana ist auf dem Land aufgewachsen. Ihre Mutter hatte einen großen Garten, in dem sie Tomaten, Zwiebel, Erdäpfel angebaut hatte. Sogar ein paar Hühner liefen umher. „Das war alles bio, super“, erzählt die 36-Jährige und räumt ein Glas Uncle-Ben’s Fertigsugo in ihren Einkaufswagen. Bio ist heute für die alleinerziehende Mutter nicht mehr drin. An diesem Mittwoch steht sie im Sozialmarkt Neubau des Wiener Hilfswerks in der Neustiftgasse und muss für den aktuellen Tag und den darauffolgenden Feiertag einkaufen.

Ökonomisch, statt biologisch

Das einzige frische Gemüse, das an diesem Tag im Sozialmarkt angeboten wird, sind grüne Paprika. Verkauft wird, was Supermärkte und Drogerien sonst wegschmeißen würden: Lebensmittel, deren Mindeshaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen ist, die aber noch genießbar sind.

Bio sind die grünen Paprika nicht. Aber das ist Ljiljana dieser Tage ohnehin nicht wichtig. „Sama froh, dass ma überhaupt was zum Essen haben“, sagt sie.

Die 36-Jährige erzieht ihre beiden Söhne – vier und zehn Jahre alt – alleine, seit sie vom Vater der Kinder getrennt lebt. Seit der Karenz zu ihrem zweiten Sohn im Jahr 2016 ist sie arbeitslos. „Früher hatte ich zwei Jobs gleichzeitig als Putzfrau“, erzählt Ljiljana. Als Alleinerzieherin sei die Jobsuche aber schwierig geworden. Bis sie wieder Geld verdient, lebt sie von der Notstandshilfe.

Im Sozialmarkt dürfen nur Menschen einkaufen, die in Wien gemeldet sind, als Einzelperson nicht mehr als 1185 Euro Einkommen haben (12x im Jahr) – und pro Kind nicht mehr als 355 Euro Kindergeld bekommen.

Ljiljana lebt von 900 Euro Notstands- und 100 Euro Wohnbauhilfe. Zusätzlich bekommt sie 250 Euro Kindergeld und 110 Euro Alimente für ihre beiden Söhne – „wenn er die Alimente zahlt“, fügt sie hinzu. Ljiljana lebt in einer vom Hilfswerk betreuten Wohnung und zahlt dafür 340 Euro. 500 Euro bleiben ihr monatlich zum Leben. 30 Euro pro Woche darf sie im Sozialmarkt ausgeben.

Fünf Mahlzeiten für zwei Tage muss Ljiljana an diesem Tag einkaufen: 1x Frühstück, zwei Mittagessen, zwei Abendessen. „Wenn ich mir das nicht einteile, kann ich den Monat nicht überleben“, erzählt sie. Aufmerksam schiebt sie daher ihren Einkaufswagen durch die Regale im Sozialmarkt. Die Dose Gemüse um 1,30 Euro nimmt sie nicht. „Das sind nur 260g“, erklärt Ljiljana und zeigt auf die Dose. 500g Dosen-Gemüse einer Supermarkt-Eigenmarke würden dagegen nicht einmal einen Euro kosten. Ljiljana stellt die Dose zurück ins Regal – sie kennt fast alle Lebensmittelpreise in den verschiedenen Supermärkten.

Eis ist Luxus

Brot etwa nimmt sie – wenn sie es nicht selbst bäckt – im Sozialmarkt, da ist es gratis. „Wurst und Käse habe ich immer zu Hause – auch für die Jause in der Schule“, sagt Ljiljana. Aus einem Regal mit fein säuberlich geschlichteten Marmeladegläsern nimmt sie eines mit Erdbeergeschmack. „80 Cent ist ein guter Preis“, sagt sie und legt das Glas in den Einkaufswagen. Der Einkauf für das Frühstück ist damit erledigt.

Zum Sugo von Uncle Ben’s gibt es Reis; die grünen Paprika wird sie mit Erdäpfeln – die an diesem Tag gratis und auch bio sind – und Hühnerfleisch für das Mittagessen am Feiertag verkochen. Für das Hühnerfleisch fährt Ljiljana zum Hannovermarkt, das Kilo kostet dort 10 Euro. Wie die Hühner, die sie später isst, gehalten werden, weiß sie nicht – daran kann sie auch keine Gedanken verschwenden.

Ihr Augenmerk liegt darauf, Geld zu sparen, damit sie im Februar nächsten Jahres mit ihren Söhnen in eine Gemeindewohnung ziehen kann. Ljiljanas selbst gemachten Pizzateig, den ihre Söhne so gerne mögen, kann sie nicht allzu oft zubereiten. Wenn sie abgesehen von den Zutaten für den Teig auch noch die Tomatensoße, den Käse und zum Beispiel Salami für den Belag kaufen muss, komme ihr das teurer als die Tiefkühl-Salami-Pizza im Sozialmarkt.

Ljiljana verzichtet auf Luxus – aber einmal in der Woche kauft sie ihren Söhnen eine Kugel Eis beim Eissalon. „Der ist bei uns im Hof und die Buben essen das Eis so gerne“, sagt sie – ohne sich zu beschweren. „Uns geht’ gut.“

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