Arbeitssuche: Wenn die Perspektive fehlt
"Seit 1988 habe ich als Kellner gearbeitet“, erzählt Hakan D. Doch während der Pandemie verlor D. seinen Job. Er wurde langzeitarbeitslos, und das trotz jahrzehntelanger Berufserfahrung in gehobenen Restaurants und Hotels.
"Ich habe Hunderte Bewerbungen geschrieben. Manche haben nicht einmal geantwortet. Andere haben gesagt, ich passe nicht ins junge Team. Da verliert man schon das Selbstvertrauen", erzählt der 57-Jährige.
Obwohl die Arbeitslosenquote derzeit stabil ist, zeigen die Arbeitsmarktdaten: Vor allem Langzeitarbeitslose und junge Jobsuchende unter 25 bräuchten mehr Unterstützung. Darauf wollte die Caritas im Rahmen ihrer 13. Jobmeile am Freitag in Wien aufmerksam machen.
Diese Jobmeile richtet sich an genau diese Zielgruppen: Hier sollen Junge sowie Langzeitarbeitslose mit sozial-integrativen Unternehmen vernetzt werden, um den (Wieder-)Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Und außerdem soll hier so manches Vorurteil über Arbeitslose entkräftet werden.
"Es ist nicht der fehlende Wille, zu arbeiten“, betont Holger Bonin, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), einer der geladenen Experten. "Wenn wir den Arbeitslosen eine Perspektive geben, nehmen sie diese in der Regel auch an.“
Wann das Risiko steigt
In Österreich entscheide die soziale Herkunft über die Bildung. Doch je niedriger die Bildung, desto höher das Risiko, langzeitarbeitslos zu werden. Wichtig sei, in Maßnahmen zur Beschäftigung und zur Qualifikation zu investieren, so Bonin. "Denn Langzeitarbeitslosigkeit kommt uns wirtschaftlich wie gesellschaftlich sehr teuer.“
Rasante Entwicklung
Was die Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit aktuell verschärfe, sei, dass "die Fähigkeiten der Arbeitssuchenden und die gefragten Qualifikationen immer weiter auseinanderklaffen“, so Klaus Schwertner, Caritas-Direktor der Erzdiözese Wien. "Stichwort Digitalisierung: Mit dieser rasanten Entwicklung kann nicht jeder mithalten.“ Hinzu kämen psychische oder physische Erkrankungen und eine damit eingehende Überforderung. Es brauche daher individuelle Förderung der Betroffenen.
Ich wollte unbedingt arbeiten. Ich habe schon gefürchtet, dass ich nie wieder einen Job finde. Aber jetzt habe ich eine sichere Stelle, wo ich bis zur Pension bleiben kann.
Dass Arbeitsmarktprojekte helfen können, zeigt das Beispiel von Hakan D.: Über die Caritas fand er im Sommer des Vorjahrs eine Stelle als Oberkellner. "Ich wollte unbedingt arbeiten. Ich habe schon gefürchtet, dass ich nie wieder einen Job finde. Aber jetzt habe ich eine sichere Stelle, wo ich bis zur Pension bleiben kann.“
Woran es bei Jüngeren mangelt
Während D. aufgrund seines Alters Schwierigkeiten hatte, eine Arbeit zu finden, sind es bei Jungen oft fehlende Qualifikationen. "In keiner Gruppe ist die Arbeitslosigkeit zuletzt so stark gestiegen. Auch aufgrund der Zuwanderer aus den Drittstaaten. Das gehört benannt und lösungsorientiert diskutiert“, so Schwertner.
"Bei Geflüchteten ist es daher wichtig, sie rasch in Beschäftigung zu bringen. Umso schneller geht der Spracherwerb“, sagt Winfried Göschl, Landesgeschäftsführer des AMS Wien.
- Im März waren laut AMS 291.468 Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet. Das sind um 32.028 mehr als im Vorjahr
- Aktuell beträgt die Arbeitslosenquote 6,9 Prozent
- 66.157 junge Menschen unter 25 sind derzeit ohne Job
- All jene, die mehr als ein Jahr arbeitslos gemeldet sind, werden als Langzeitarbeitslose gezählt. Darunter fallen aktuell 80.375 Menschen in ganz Österreich
Viele der jungen Arbeitssuchenden plagt auch eine gewisse Orientierungslosigkeit, kombiniert mit der Angst, nicht gut genug zu sein. "Ich will etwas arbeiten, das ich wirklich gerne mache“, erzählt die 21-jährige Maret dem KURIER. "Ich habe ein freiwilliges Soziales Jahr gemacht und Menschen mit Behinderung geholfen. Dann habe ich eine Lehre zur Hörakustikerin gemacht.“
Die habe sie aber abgebrochen. "Das war nicht so meins.“ Sie würde gerne reisen und schreiben, erzählt sie. Aber sie habe Angst vor Rassismus, sie stamme nämlich aus Tschetschenien. Noch sei sie auf der Suche nach einem Job, der zu ihr passt.
Nachwirkung der Pandemie
Ambros L. wiederum erzählt, dass er nach seinem Schulabschluss 2020 überfordert war: "Ich habe die Pandemie bedrohlich gefunden und habe keine Plan gehabt, was ich machen soll.“ Auch er fand mithilfe der Caritas schließlich einen Job: "Bei der Jungschar als Assistent im Rechnungswesen“, erzählt er.
Man brauche, so betonen alle Experten, ausreichend Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik. "Das ist eine soziale Investition, die sich für uns alle rechnet“, so Bonin. Und er fügt hinzu: „Es gibt nämlich keine hoffnungslosen Fälle.“
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